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Sagen & Geschichten aus München

Münchner Sagen & Geschichten

Am Himmelfahrtstage

Mayer - Münchner Stadtbuch (1868)


In der Frauenkirche dahier war am Christi Himmelfahrtstage ein alter Brauch, der seit Ende vorigen Jahrhunderts wohl in der Haupt- und Residenzstadt München verschwunden, aber hin und wieder auf dem Lande noch heut zu Tage gang und gäbe ist.

Man pflegte nämlich an diesem Festtage Nachmittags vor der Vesper in der Kirche ein Bildniß des Heilandes mit der Osterfahne in das Gewölbe durch eine angebrachte Oeffnung hinaufzuziehen, um dadurch sinnbildlich die Himmelfahrt des Herrn vorzustellen. Darnach aber warf man Oblaten und brennendes Werg auf das Volk in der Kirche, ja zuletzt noch einen gräulichen Teufel herab, der war ausgestopft mit Heu und Stroh, mit Hörnern und einem Pferdefuße versehen, schwarz bemalt, mit feurigen Augen und heraushängender rother Zunge, zum Zeichen, daß dieser Fürst oer Finsterniß nun durch den Heiland gestürzt und seine Gewalt vernichtet sei. Um diese gräßliche Puppe balgten und schlugen sich sogleich die Buben, die sich natürlich schon lange zuvor auf diesen Spaß freuten, und trugen sie dann hinaus vor die Stadt auf den Gasteig, wo sie dieselbe unter Halloh und Geschrei verbrannten.

Ueber diesen Brauch hat uns der alte Meistersänger Hans Sachs von Nürnberg, der sich in seiner Jugend beinahe ein Jahr lang in München aufgehalten hatte, einen lustigen Schwank in Reimen erzählt, den wir hiemit unsern freundlichen Lesern in Kürze wiedergeben.

Am fürstlichen Hofe zu München befand sich damals ein lustiger Schalk, der allerlei Schwanke und Kurzweil trieb, Namens Liendl (Leonhard) Lautenschlaher. Da war wieder einstmals das Fest Christi Himmelfahrt gekommen, und als der Liendl sah, daß nach dem Vormittagsgottesoienst alle Leute zum Essen heimgegangen waren und die Frauenkirche ganz leer stand, nahm der arge Schalk den „Herrgott" aus der Kirche weg, trug ihn unter seinem Mantel in das Wirthshaus, in dem er sonst täglich zechte, setzte ihn hinter den Tisch, ließ ihm vom Wirthe Wein auftragen und trank ihm zu, uin ihm vor seiner Himmelfahrt noch Liebes zu erweisen, auf daß, wenn er selbst einst nach Jahren in den Himmel nachkomme, ihn der Herr auch wieder bediene. Der Wirth, der die Schalkhaftigkeit des Liendl wohl kannte, trug fleißig Wein auf und lachte zu dem Schwank, Derweilen war aber die Stunde der Nachmittagsvesper gekommen und das Volk eilte wieder zur Kirche. Da fehlte zum Schrecken des Volkes der Herrgott, der nun gegen Himmel fahren sollte. Aber Einer hatte den Liendl im Wirthshaus gesehen, der sagte es dem Meßner und dieser lief eilig in die Herberge, wo er den Herrgott hinter dem Tische fand; eine Kanne Wein hatte ihm der Liendl um den Hals gehängt. Der Herrgott wurde vom Meßner in die Frauenkirche zurück gebracht, und wie üblich, dann zur Himmelfahrt durch das Kirchengewölb gezogen. Aber der Spatz wäre dem Liendl bald theuer zu stehen gekommen, denn er wurde vom Kirchenprobste dieses Frevels wegen beim Herzoge verklagt und von diesem scharf angelassen. Liendl verantwortete sich jedoch herzhaft und meinte kein Arg gethan zu haben, denn er habe ja nur die „Letz" getrunken mit dem, der gegen Himmel fuhr, auf daß ihm der Heiland nach Jahren wieder „schenken" und ihn freihalten müsse. Der Herzog aber sprach: mit dem Teufel könne man wohl Schwank treiben, mit unserm Herrgott aber sei nicht zu scherzen. Das versprach der Liendl künftig getreulich zu befolgen.

Das Jahr verging und der Himmelfahrtstag kam wieder. Am Vorabende desselben bestand in München noch ein anderer sonderbarer Brauch. Ein sogenannter Bachant, — einer jener Pickelheringe, die in damaliger Zeit zur Stillung ihres Hungers und Durstes das Handwerk der öffentlichen Spaßmacher und Witzbolde betrieben, — verkleidete sich als Teufel und wurde in dieser gräßlichen Hülle von vermummten Druden, mit Krücken und Ofengabeln bewaffnet, durch die Straßen der Stadt unter dem Halloh und Geschrei der lieben füßen Jugend und des schaulustigen Volkes gejagt, in die damals noch vor vielen Häusern befindlichen Misthaufen gesprengt, und so bis in die Hofburg gehetzt, wo man ihm zu trinken gab. Hierauf wurde er entpuppt, seine Hülle mit Stroh und Heu ausgestopft, und dann diese Teufelsfigur an einem langen Stricke zu einem Fenster des Frauenkirchthurmes .herausgehängt, wo sie über Nacht verblieb. Am folgenden Tage fand dann mit dieser Puppe, wie vorhin erzählt, der Himmelsturz in der Frauenkirche und das Verbrennen auf dem Gasteige statt.

Wie nun dieser Teufel am Thurms hing, kam der lose Schalk Liendl um Mitternacht, hatte drei lange Stangen übereinander gebunden und oben ein Messer befestigt und schnitt mit demselben den Strick ab, an welchem der Teufel hing, so daß dieser zu Boden stürzte. Nun hatte Liendl unter dem Vorwande, er müsse dem Herzoge bei Tisch aufspielen, von seinem Wirthe einen schönen Rock von Fuchspelz entlehnt, den zog er dem Teufel an, schleppte ihn auf den Marktplatz, wo der Strafesel und der Pranger standen, legte ihm das eiserne Halsband an und ließ ihn dort stehen. Als nun Morgens die Leute zur Kirche gingen und den Teufel am Pranger erblickten, gab es einen großen Zusammenlauf, denn alles wollte das absonderliche Wunder sehen; als die Mär darüber an den Hof kam, lief fast alles Hofgesind herbei, und Jedermann dachte sogleich, das könne nur der Liendl gethan haben. Auch erkannte der Wirth seinen Pelz gleich, wußte also von wem der Streich herrühre; der Henker aber bestand darauf, daß Alles sein eigen sei, was er auf seinem Bereich fände, also mußte, der Wirth seinen Pelzrock um schweres Geld vom Henker wieder einlösen, und gedacht' es dem Liendl rechtzeitig wieder einzutränken. Liendl aber, über seinen Frevel zur Verantwortung vorgerufen, redete sich kurzweg auf den Herzog aus, der es ihm im vorigen Jahre geheißen habe, unsern Herrgott in Ruhe zu lassen, dafür aber mit dem Teufel Scherz zu treiben:

„Das hab ich auch mit Fleiß gethan!" —
Des Schwanks lacht heut noch Jedermann,

schließt Hans Sachs seine Erzählung.


Denkmal an Gerd Müller