München Bücher

Giambologna

Ein Wendepunkt der europäischen Plastik

Titel Giambologna
Untertitel Ein Wendepunkt der europäischen Plastik
Herausgeber:in Avery CharlesRadcliffe AnthonyLeithe- Jasper Manfred
Verlag Kunsthistorisches Museum
Erscheinung 1978
Seiten 320
ISBN/B3Kat B00357W9XG

Warning: Undefined variable $zitierhinweis in /var/www/vhosts/stadtgeschichte-muenchen.de/httpdocs/literatur/d_literatur.php on line 512
Zitierhinweis:

Vorwort

Es geschieht wohl selten, daß das Werk eines Künstlers zu so vielen Überlegungen verschiedenster Art anregt wie dasjenige Giambolognas. Eine solche Situation kann freilich nur dann entstehen, wenn Vorstellung und Imagination des Künstlers aus vielen Quellen, bewußten und unbewußten, gespeist werden, wenn diese, den gestalterischen Willen des Meisters formend, auch für den Betrachter erkennbar werden und ihn anregen, eine Persönlichkeit wie eben die Giambolognas aus allen ihren Facetten heraus begreifen und fassen zu wollen.

Wenn auch bei anderen Künstlern ähnliches festgestellt werden könnte, so ist doch die Vielfalt der Erscheinungen, die das Gesamtbild Giambolognas ergeben, weitaus größer als in anderen Fällen und vor allem offener zutage liegend. Ein Hauptgrund hiefür ist wohl der, daß er Kind einer Spätzeit war, daß er am Ende einer Entwicklung stand. So wie die Züge eines alten Gesichts Charakter und Schicksal deutlich und scharf zeigen, im Gegensatz zu den noch unbestimmten eines jungen, so ist an Werken einer stilistischen Spätzeit die Vergangenheit — Reichtum und Last zugleich — deutlich abzulesen.
Wenn es nun einem Künstler einer solchen Phase gelingt, nicht nur gleichsam willenloser Verbraucher des reichen und damit aufdringlichen künstlerischen Angebots seiner Zeit zu sein, sondern trotz dieses Angebotes und aus ihm neue Werte zu gewinnen, so verdient er wohl größte Beachtung und Bewunderung.

Giambologna war nicht nur flandrischer Landsmann des Brabanters Pieter Bruegel des Älteren, sondern sein genauer Zeitgenosse. Der Unterschied zwischen beiden könnte nicht größer sein. Da das Kunsthistorische Museum Hauptwerke vom einen wie vom anderen besitzt, ist eine Gegenüberstellung leicht zu bewerkstelligen. Beide gingen nach Italien, aber der eine widersetzte sich der Verlockung, der andere folgte ihr, wie so viele andere seiner Landsleute, Maler wie Bildhauer. Für die Breite des Kunstverständnisses damaliger Zeit spricht, daß einer der größten Sammler und Kunstliebhaber, nämlich Kaiser Rudolph II., sowohl Werken P. Bruegels wie Giambolognas seine Aufmerksamkeit Zuwendete und beide in seiner Kunstkammer Platz fanden.
Für einen niederländischen Bildhauer war aber Italien wohl noch wichtiger als für einen Maler. Nur in Rom und noch mehr in Florenz konnte er seine wahren Meister finden. Florenz bot neben den großen Erscheinungen früherer Zeit das übermächtige Werk Michelangelos und in Rom war es die Antike, die man aus erster Hand kennenlernen konnte. Die lebensgroße hellenistische Figurengruppe war für Giambologna dieselbe Revelation wie die antiken Bronzestatuetten, die allenthalben ausgegraben, bewundert und begehrt und demzufolge auch in Bälde kopiert wurden. So verschaffte der zeitgenössische Geschmack Giambologna, wie anderen seiner Bildhauerzeitgenossen, ein reiches Betätigungsfeld. Doch ließ er es nicht dabei bleiben, nur alla antica zu arbeiten. Gerade aus der Bronzestatuette holte er heraus, was an formalen Möglichkeiten in ihr steckte und was das Material hergab. Das manieristische Gestaltungsprinzip der Figura Serpentinata aus der Malerei schon von Parmegianino her bekannt — man betrachte nur den Bogenschnitzenden Amor im Kunsthistorischen Museum — war ein Mittel, die Gestalt leicht und schlank in graziöser Drehung, fast schwerelos erscheinen zu lassen.