Alte Quellen

Glyptothek


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Quelle Zauner - München in Kunst und Geschichte (126)
Jahr 1914
Straße Königsplatz 3

Glyptothek, Königsplatz 3. Man bewundert in Italien einzelne Gebäudesituationen, wo Marmor und Wiesengrün in unmittelbaren Kontakt kommen, wie den Dom zu Bisa mit dem Campo Santo und dem Baptisterium. Wenn aber irgend etwas aus dem Norden damit in Parallele gesetzt werden darf, so ist es unser Königsplatz mit dem Kunstausstellung» yebaude und der Glyptothek, der eine wirkliche Erhabenheit der Stimmung besitzt und hoffentlich noch lange von der Misere der modernen Verkehrstechnik, die immer eine Feindin stimmungsvoller Geschlossenheit ist, verschont bleibt. Die Glyptothek selbst verdient als Bau schon wegen der eigenartigen, wunderfeinen Fügung der Marmorwandung in Augenschein genommen zu werden. Das Gebäude, 1816 von Klenze im Aufträge und auf Kosten des Kronprinzen Ludwig errichtet, sollte als Sammelraum dienen für die kostbaren antiken Bildwerke Ludwigs aus Griechenland, Italien und Aegypten, die Ludwigs Sammeleifer entdeckt und aufgekauft hatte. In dieser seiner Eigenschaft war der Bau — vom großen Publikum als „des narrischen Kronprinzen Haus“ mißgünstig beurteilt — die „denkbar einfachste und dauernd mustergültige Lösung einer solchen Aufgabe [W]“ und überdies „außer einigen Werken Schinkels der beste klassische Bau Europas [Rb]“. Charakteristisch ist die selbständige Verwertung römischer Raumdisposition (Gewölbe und Nischen) mit griechischer Formengebung (in der Dekoration und Fassadenarchitektur). Die Beherrschung der klassischen Bau- und Zierformen in diesem ersten Bau Klenzes ist allerdings noch nicht vollkommen, wie z. B. die jonischen Säulenschäfte ohne Schwellung und Kanneluren sind, was Becht [S. 74] übrigens hauptsächlich auf das Ungeschick der damals noch nicht eingearbeiteten Arbeiter schiebt. Das Material der Hauptfassade und der Architekturformen der übrigen Fronten ist Kalk-Haustein von sehr schöner marmorgelber Farbe. Vom Königsplate aus stellt sich der Aufbau dar als eine Säulenhalle zwischen 2 glatten nischengeschmückten Wänden mit einem Erdgeschoß allein. Der Grundriß zeigt ein Quadrat von 58 m Durchmesser, das einen Lichthof umschließt; von diesem erhalten die um ihn gruppierten Museumssäle (mit Ausnahme der Ecksäle) ihr Licht. Der ganze Bau ruht auf dreifachen mächtigen Sockelstufen, ist oben mit einer über dem Hauptgesims hinlaufenden Attika bekrönt und ist ausgezeichnet durch eine vor und über die Front markant vortretende Säulenhalle von 8 äußern und 4 innern jonischen Säulen auf attischer Basis (ursprünglich waren für die Front nur 6 Säulen vorgesehen [B 06]). Das Gebälk und Dachgesims ist nach attischer Art in Verbindung mit jonischem Zahn- schnitt reich profiliert und mit Löwenköpfen, Antifixen und Akroterien — frei den klassischen Vorbildern nachgeahmt — ausgestattet. Der hervorragendste Schmuck des Baues ist das Giebelfeld mit seiner herrlichen Marmorgruppe entworfen von Wagner, von den ausführenden Künstlern aber — wahrscheinlich auf Veranlassung des Kronprinzen — nach mancher Richtung hin abgeändert [HK|): inmitten des Feldes steht aufrecht die 2,5 m hohe ehrfurchtgebietende Gestalt des Pallas Ergane, der Schutzgöttin aller künstlerischen, zumal plastischen Tätigkeit: als Werkführerin und Lehrerin die rechte Hand zur Aufmunterung erhebend, in der Linken als Preis den Lorbeerkranz haltend; zu beiden Seiten gruppieren sich die Repräsentanten der verschiedenen Zweige der antiken plastischen Künste (für die die,.Glyptothek“ ja bestimmt ist): rechts von Athene der „Plastes“ (Tonbildner), eben mit dem Modellieren einer kleinen Statue beschäftigt; daneben der aufrecht stehende „Toreutes“, der als sein Werk eine aus verschiedenen Stoffen und Farben zusammengesetzte Statue mit beiden Händen hält; dann der Ornamentist (Verzierungs-Bildhauer), der sich auf ein von ihm gefertigtes Kapital lehnt; hierauf der sitzende „Enkaustes“ (Figurenanstreicher), wie er eine Götterstatue bemalt; am Schluß dieser Seite eine ägyptische Sphinx und ein ägyptisches Ehepaar, die hiesige ägyptische Sammlung — und eine griechische Vase — die hiesige Vasen- samtnlung symbolisierend. Links von Athene sitzt der „Statuarius“ (Erzgießer), der soeben eine Statuenform mit flüssigem Erz ausgießt; daneben der „Glyptos“ (Steinbildhauer; daher der Name „Glyptothek"), auf eine von ihm gefertigte Hermesbüste gelehnt; hierauf der „Xyloglvphos“ (Holzbildhauer), an einer liegenden Holzfigur schnitzend, die ihm zugleich als Sitz dient; sodann der sitzende „Kerameus“ (Töpfer), der eben eine Vase bemalt; in der Ecke verschiedene Vasen. Als Giebeleck-Zierden (Akroterien) dienen sitzende Sphingen mit weiblichen Köpfen, in ein zierlich geschwungenes Rankengewinde auslaufend; auf der obersten Giebelspitze sitzt ein Palmettenornament in Lyraform nebst der Eule, dem Lieblingsvogel der Athene.

Nischenstatuen: in der Hauptfront (als Vertreter der Antike) Hephästus (von Schöpf), Prometheus (Schalter), Dädalos (Lazarini), Phidias (Schalters), Perikies (Lazarini) und Hadrian; auf der Ostseite (als Zeitgenossen): Antonio Canova, Thorwaldsen, Christian Rauch, Pietro Tenerani, John Gibson und Ludwig v. Schwanthaler; auf der Westseite (als Vertreter der Renaissance): Giovanni da Bologna, Benvenuto Cellini, Michelangelo, Peter Vischer, Donatello, Lorenzo Ghiberti — sämtliche in Marmor nach Modellen von Brugger. Die Rückfront mit leer gebliebenem Giebelfeld hat eine durch 4 jonische Säulen gebildete Unterfahrt.

Im Inneren war die Anwendung von Gewölben zur Bedingung gemacht (weshalb denn auch im Aeußern die Bogenform, z. B. in den Nischen, nicht ganz ausgeschlossen war); die Decken wölben sich meist im Halbkreis und sind reich mit Kassetierungen und reliefierten Stuckornamenten teils auf farbigem, teils auf vergoldetem Grunde geziert. Die Fußböden sind in immer wechselnden Zeichnungen mit verschiedenen Marmorarten belegt. Die sorgfältige und prächtige Ausstattung (in antiken Formen und Farben) ist wohl geeignet, im Beschauer einen Begriff der hohen Achtung zu erwecken, welche die Erbauer den Meisterwerken des Altertums gezollt haben; 1. ägyptischer Saal: Wände von Stuckmarmor in gesättigtem Gelb; Kassettendecke verziert nach dem altgriechischen Typ der ältesten Vasengemälde; 2. Inkunabeln-Saal: Stuckmarmorwände im Ton des Rosso antico; 3. Aeginetensaal: Stuckmarmorwände im Ton des Verde antico; Figuren der Deckenornamente von Schwanthaler-, 4. Apollo-Saal: Wände mit stucco lustro mit Imitation des lakonischen Marmor; an der Decke die Wappen von Athen, Korinth, Sikyon und Argos nach Modellen von Krampf-, 5. Bacchus- Saal: Wände wie vorhin; die bacchischen Embleme (Panther, Vasen, Wein, Epheu) modelliert von Leins-, 6 Niobidensaal: an den Wänden hochgelber Veronesermarmor in stucco lustro; Deckenornamente von Schwanthaler-, 7. Heroensaal: Fußboden von fränkischem Marmor; an den Wänden blaugrüner Stuckmarmor; am Gewölbe Rosetten auf weißem oder blauem Grund; 8. Römersaal (der größte [39:12 m] und am reichsten ausgestattete Raum): Wände in violettem Stuckmarmor; an den Stirnmauern der 3 Kuppelgewölbe Genien, die die Medaillons römischer Feldherrn, Konsuln und Imperatoren bekränzen; in den Kuppelscheiteln Relieffiguren von Schwanthaler und Stiglmeier mit römischen Adlern und andern Emblemen der Hadrian-Epoche (von Krampf, Leins und Kern); im Saal der farbigen Bildwerke: Fußboden — in dessen Mitte ein antikes Mosaik — mit fränkischen Marmorarten gedeckt; an den Wänden Stuckmarmor von giallo antico (als entsprechendster Hintergrund für die aus dunklem Material gefertigten Bildwerke); 9. Saal der Neueren: im Fußboden Marmorarten aus Füßen; an den Wänden Stuckmarmor in verde palliolo; Deckenornamente im Stil des Cinquecento samt den 4 Medaillons von Krauter. Im Vestibül gegenüber dem Eingang wurde nachträglich durch einen Anbau in den Hof ein Raum für assyrische Altertümer hergestellt. Die Aufstellung der Skulpturen ist eine ideale: sie stehen frei, offen und doch in der notwendigen Beziehung zueinander, wie sie eine Sammlung verlangt. „In dieser Einheitlichkeit der Ausstattung fallen •die 3 Festsäle des Cornelius an der Rückseite (die nach dem Programm des Kronprinzen nur zu festlichen Versammlungen dienen und ohne Bildwerke bleiben sollten) völlig wie aus dem Rahmen [W21]“; diese für Monumentalmalerei bestimmten Räume glaubte der Architekt in der Mittelachse des Ganzen anordnen zu sollen, so daß dieselben gleichsam einen Ruhepunkt zwischen der griechischen und römischen Abteilung bilden; allerdings haben die Fresken des Cornelius, die übrigens Heber zu den „höchsten Leistungen der Monumentalmalerei“ zählt [Rb 145], nach Weese mit dem antiken Geist, aus dem das ganze Museum geschaffen ist, „lediglich den äußerlichen Zusammenhang tematischer Beziehungen, da die Darstellungen dem griechischen Sagenkreis entnommen sind; innerlich gehört er und sein Werk nicht zur klassizistischen, sondern zur romantischen Welt“ [W210 u. a. a. O.; BOß; HR; Rb].


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