Alte Quellen

Justizpalast


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Quelle Zauner - München in Kunst und Geschichte (156)
Jahr 1914
Straße Lenbachplatz

 Justizpalast, Lenbachplatz. Errichtet und 1897 vollendet von Friedrich Thiersch; Baukosten 6600000Mk.

Allgemeine Gruppierung: Sämtliche Räume sind in 4 Geschossen und einem Untergeschoß untergebracht. Der mittlere Lichthof, die Gestalt eines glasüberdeckten Hallenhofes, überdeckt mit einem vierseitiggewölbten Kuppeldach. Jede Stirnseite des Baues ist in der Mittelachse mit einem besondern Eingang versehen; auf den Schmalseiten führen diese direkt in die hier angeordneten Treppenhäuser, während in der Mittelachse der Langseiten dreiachsige Eingangshallen angelegt sind, die den Zugang zum zentralgelegenen Haupttreppenhaus — der Zentralhalle — vermitteln. Demnach dienen dem Verkehr 3 über das Gebäude gleichmäßig verteilte Treppenanlagen. Die Sitzungssäle sind unter Vermeidung der sonnigen Südseite angeordnet. Ueber der Südeingangshalle liegt der durch 2 Geschosse reichende Repräsentationssaal, darüber die Bibliothek des Justizministeriums. Ueber der Nordeingangshalle liegt der Schwurgerichtssaal mit den dazu gehörigen Nebenräumen, die sich beiderseits derart anschließen, daß vermöge eines zwischen ihnen und dem durchgehenden Korridor eingeschalteten Hilfsganges eine vollständige Absonderung der ganzen Gruppe im Gebäude erzielt werden kann.

Grundriß. Der ganze, nach 2 Richtungen hin symmetrisch angelegte Grundriß läßt sich einem Rechteck ein- schreiben, das zwischen den Ecken der Risaliten die Abmessungen von 138 m, bezw. 80,78 m hat. An den Langseiten tritt die Front in einer Länge von 109,55 m hinter die je 14,22 m breiten Eckrisalite um 10,96 m zurück; die der Zentralhalle vorgelegten Mittelbauten, die in ihrem Erdgeschoß die beiden Vorhallen bergen, treten an der Nordseite gegen die Elisenstraße in der Breite von 30,22 m um 6,98 m — an der Südseite Segen die Prielmayerstraße in einer Breite von 30,19 m um 3,50 m vor ie übrige Front. Dem Südmittelbau ist außerdem noch in der Breite des Repräsentationssaales eine ausgesprochene Gliederung verliehen, indem daselbst ein 19,54 m breiter Vorsprung von 1 m Ausladung mit einer um 6,38 m vortretenden Unterfahrt dem Mittelbau angegliedert ist. Auch die beiden Schmalseiten sind mit Mittelbauten versehen; so zeigt die Ostseite einen Saal von 24,34 m Breite und 1,57 m Ausladung, die außerdem noch mit einem ovalen, das dahinter befindliche Treppenhaus auch äußerlich kennzeichnenden Ausbau versehen ist. Die beiden Höfe sind ganz einfach geradlinig in ihrem Grundriß abgegrenzt ; nur an den, den bezüglichen Treppenanlagen zugekehrten Seiten zieht sich je ein Vorsprung von 0,60 m in der Breite von 14,20 m hin. Diese im allgemeinen sehr kräftige Umrißgliederung läßt demnach eine lebhaftere Relief Wirkung der sonst ruhig und ernst gehaltenen Fassade erzielen.

Aufbau. In Rustica ist nur das Erdgeschoß behandelt, während die über die 3 Obergeschosse ausgedehnten Pilaster- und Säulenordnungen nur an den Risaliten und den Mittelbauten sich zeigen, welch letztere in ihrem Hauptgesims über die übrigen Räume sich erheben. Den Abschluß der Kuppel bildet eine schlanke, um 16,40 m den Kuppelscheitel überragende Laterne. Die Mittelbauten drücken durch ihre reichere monumentale Ausgestaltung aus, daß sie Räume von größerer Wichtigkeit umfassen. Die Außenflächen der Hausteinarchitektur zeigen eine wechselnde, aber ruhige Behandlung. Die Arehitekturforinen sind die der Spätrenaissance. Für die Wahl dieses Stiles war die größere Freiheit der Ausdrucksmittel und die größere Beweglichkeit der Formen ausschlaggebend. Durch die Anwendung des großen Architekturmaßstabes wurde eine Frontgliederung erzielt derart, daß durch ein ringsum durchgehendes, sehr kräftiges Gurtgesims das Rustica-Erdgeschoß zum Sockel der darüber ruhenden und durch ein einziges System zusammengefaßten Obergeschosse gestempelt wurde, dis ihrerseits als Abschluß ein ringsum geführtes Hauptgesims von 1 m Ausladung besitzen. An den 4 Eckrisaliten ist die jonische Ordnung — in der Mitte 2 Halbsäulen, an den Ecken Pilaster mit schwacher Verjüngung — angebracht; dieselbe Ordnung ist auch am Westmittelbau; die übrigen Mittelbauten dagegen zeigen die korinthische Ordnung und zwar am kraftvollsten am Nordmittelbau mit seinen 6 Vollsäulen von 1,30 m Durchmesser, während die 2 andern Mittelbauten eine korinthische Pilasterordnung haben. Der Säulenordnung der architektonisch hervorgehobenen Bauteile entsprechen lisenenartige, vertiefte Streifen an den Flügel- und Rücklageseiten, die durch ihre Anordnung die 3 Obergeschosse zusammenfasseu. Diese architektonisch hervorgehobenen Bauteile sind durchgängig mit geradem Gesimse abgeschlossen und tragen darüber eine Attika, die auf den Risaliten über den Halbsäulen Figuren, über den Pilastern Obelisken mit dekorativ gehaltener Basis trägt, während sie auf den Mittelbauten Figuren und Wappenschmuck besitzen. Das Giebelfeld der Südfassade ist mit dem großen bayerischen Löwenwappen geziert. Die Kuppel-Laterne baut sich auf einer an den vier Ecken mittelst Voluten aus den Gurtrippen herauswachsenden Terrasse auf. Letztere besitzt ein reich verschlungenes, in Kupfer getriebenes Geländer, das sich an 4 auf den Ecken stehenden Postamenten mit kräftig modellierten, gleichfalls in Kupfer getriebenen Vasen anschmiegt. Die Laterne selbst zeigt 4 Bogenöffnungen mit freistehenden jonischen Säulen. Die Pfeiler sind ornamentiert. Ueber der Laterne sitzt ein auf zierlichen Schnecken aufgebautes Postament, das die vergoldete Kugel von 1,20 m Durchmesser trägt. Das dekorative Beiwerk, das zur großem Belebung der Außen- und Innenarchitektur verwendet wurde, zeigt mannigfache Pflanzen- und Tiermotive, Wappen, Kartuschen, allegorische und heraldische Motive — die bemerkenswertesten sind überm Haupteingang, die „Gerechtigkeit“ mit der Wage und das „Göttliche Sittengesetz“ mit den zehn Gebotetafeln —, Trophäen, Masken mit reich verschlungenem Ornamentwerk u. s. w. Im Innern ist namentlich die Zentralhalle mit monumental-dekorativen Werken ausgestattet. [Nach der Denkschrift von Friedr. von Thiersch „Das neue Justizgebäude in München“.]


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{Karl Stankewitz}