Alte Quellen

1. Verkehr zwischen Römern und Barbaren im Standlager bei Grünwald im II. und III. Jahrhundert.


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Quelle Spruner, Karl von - Die Wandbilder des Bayerischen National- (1)
Jahr 1868

Die Besiegung der gallischen Völkerschaften in dem weiten Thule des Po unterwarf diesen Garten der Halbinsel und damit ganz Italien endlich den Körnern und breitete die Herrschaft des ersten Kriegervolkes der Welt bis an den Fuss jenes Riesenwalles der Alpen aus, der von der Natur bestimmt zu sein schien, eine unübersteigliche Grenze zu bilden zwischen dem üppigen Süden und dem rauhen Norden unseres Erdtheils.

So blieb es bis zum Jahre 15 vor Christus. Octavianus Augustus beherrschte, nachdem die alte Republik gesunken, das unermessliche Reich als Imperator. Er konnte — war es Vorwand, war es wirkliche Noth ? — nicht ferner so nahe den Thoren der ewigen Stadt die häufigen, stets erneuten Einfälle der kleinen aber tapferen rhätischen Alpenvölker in die römischen Gränzlande dulden. Ihre Unterwerfung bot den Wallen seiner Legionen willkommene Gelegenheit, auch nach dieser Seite hin die Gränzen des Reiches zu erweitern.

Da sandte denn August ein Heer unter seinem Stiefsohne Drusus gegen sie in s Feld. Am Südfusse der Alpen bei Trient kam es zum ersten blutigen Zusammenstösse mit den Bergvölkern, welche hier in einem grossen Heere vereinigt stunden, zu dem selbst vom Lech her Schaaren zur gemeinsamen Vcrtheidigung gestossen, und in welchem sogar Weiber, mit Streitäxten bewaffnet, kämpften. Die Rhäter unterlagen, und nun drang Drusus, ihre Pässe stürmend und ihre festen Burgen, in denen sie den Raub von Jahrhunderten geborgen, brechend, immer tiefer ins Land. Durch’s Vintschgau hinabsteigend, überschreitet er die Eisak bei Botzen, dessen alter Name „pons Drusi“ noch den des Feldherrn bewahrte, und gelangt so zu den Breonen am Brenner und den nördlich angränzenden Genaunen im Innthale. Auch diese, „die wilden und behenden,“ wie Horaz sie nennt, werden nach verzweifelter Gegenwehr besiegt, und über den Brenner, wohl dem ältesten und gewöhnlichsten Uebergange des Gebirges, hinabgestiegen, rücken die Legionen immer weiter vorwärts in dem weiten Thals des Innstromes. Während aber solches auf der östlichen Seite vorging, während Aller Augen auf den vom Süden her eindringeuden Feind gerichtet waren, erschienen plötzlich vom Lech her in ihrem Rücken die Adler des Tiberius, des zweiten Stiefsohnes Augusts. Dieser war durch Gallien an den Rhein und an den aeronischen (Boden-) See gerückt, hatte auf einer Insel desselben, der damals noch weit grösseren Reichenau, Schiffe gezimmert, die üferorte der Vindeliker erobert — aus dieser Zeit dürften wohl die zerstörten Pfahlbauten herrühren — und selbst auf dem Rücken des Sees Gefechte mit ihnen bestanden. Vergebens widersetzte sich ihm dieses Volk, vergebens alle jene Rhäter, die vor Drusus Schaaren gegen Norden gewichen waren. Der Vindeliker Hauptburg Damasia — wohl Hohenems? — ward erstiegen und es kam zur letzten, zur Entscheidungsschlacht. Wo diese geschlagen wurde, hat uns Keiner der Alten auf bewahrt, das aber melden sie, wie mit so beispielloser Wuth gekämpft ward, dass selbst die Weiber, nachdem sie von ihren Rüstwagen herab alle Geschosse verbraucht, ihre Kinder tödteten und deren Leichen den Römern in’s Antlitz schleuderten.

Im Sommer des Jahres 15 vor Christus war die Eroberung vollendet. Drusus zog nun entweder dem Innstrom entlang oder wahrscheinlicher auf der von den Römern schon damals angelegten Hauptstrasse durch die Pässe der Scharnitz und über Partenkirchen heraus in die Vorberge unseres Vaterlandes, wohl der erste Römer, dessen Blicke von den Höhen bei Ettal aus über die unermesslichen Waldebenen Bayerns schweiften und der die Sonne sch in den grossen Seebecken unseres Oljerlandes spiegeln sah.

Schwer mussten die unterworfenen Völker die Hand des Siegers fühlen. Nur die nöthigsten Kräfte blieben zur Bestellung des Ackerszurück; die krittlige, streitbare Jugend ward fortgeführt und in die römischen Legionen vertheilt. So geschah es, dass schon nach dreissig Jahren jene tapferen rhätischen und vindelikischen Kohorten in der Idistavisus-Schlacht im Kampfe gegen die Deutschen den wankenden Sieg wieder an Korns Adler fesselten.

Nach ihrer Weise hatten die Römer das eroberte Land in Provinzen abgetheilt, mit Heerstrassen durchzogen und mit Kastellen und Lagern bedeckt, auf deren Ueberresten sich viele der heutigen Süddonaustadte erhoben. In diese Pflanzstädte wurden Römer, meist Veteranen, übergesiedelt, das menschenleer gewordene flache Land aber allmählig wieder durch germanische Einwanderer von jenseits der Donau bevölkert. Auch der ganze Abschnitt des jetzigen deutschen Landes, von Kelheim an der Donau bis hinab über den untern Main wurde allmählig mit zum Reiche geschlagen, vollkommen zur Provinz gemacht und von spätem Imperatoren durch eine fortlaufende Gränzbefestigung gegen die jenseitigen Deutschen gedeckt. Ja so sicher fühlten sich deren Bewohner, dass sie es wagten, kaum eine Stunde diesseits des Gränzwalles prächtige Villen zu erbauen, um sich im fernen Barbarenlande in wehmüthiger Erinnerung ein schwaches Bild der heimischen Anlagen am Tiber oder an der wundervollen Bucht von Bajä herbeizuzaubern.1)

Von drei Hauptstrassen der Römer zogen sich aus Italien heraus in die neucrol>erten Provinzen die eine, westlichste, vom larischen See, dem Lago maggiore, über das altrhätische Clavenna und durch die schauerlichen Schluchten der via mala nach Chur und über die altena Tode, so lange noch lag die Hand der arianischen Barbaren nun doppelt schwer auf den Romanen des Donaulandes, zog Odovacer, nunmehr längst schon König Roms, über die Alpen heraus, Blutrache zu üben an Friedrich, den Neffen des Rugierkönigs, welcher seinen gleichnamigen Oheim, den Sohn König Fava’s, vom Throne gestossen und erschlagen hatte. Der Mörder floh zu den Ostgothen, und als er bald darauf wiederkehrte, kam Aonulf, der Bruder Odovacers, nochmals ins Land der Rugier, machte deren Reich vollends ein Ende und führte Alle, die römischer Zunge waren, unter seinen schützenden Waffen nach Italien heim. Severin’s Schüler zogen mit ihm und nahmen, dem Gebote des geliebten Lehrers folgend, seine sterblichen Reste mit hinüber, ihnen eine Stätte in Cucullanum bereitend, an derselben Stelle, wo sich heute die (lüstern Mauern des Castell Ovo bei Neapel erheben, und wo Odovacer dem letzten Römerkaiser Romulus A igustulus, seine Jugend grossmüthig schonend, ein Asyl angewiesen. Wegen der .Sarazenengefahr wurden sie im Jahre 910 in die Stadt Neapel selbst übergetragen, wo sie bis auf diesen Tag, hochverehrt vom Volke, ruhen. Hat der merkwürdige Mann auch nicht das Evangelium in unsern, Gegenden zuerst gepredigt, da Chroniken uni Legenden und selbst seine eigene Lebenslwschreibung vieler christlicher Priester und Bischöfe vor und mit ihm lebend, in den römischen Ländern diesseits der Alpen gedenken, so trägt er seines weitverbreiteten, segensvollen Wirkens wegen doch mit vollem Rechte den Ehrennamen des Apostels der Noriker, mit den ihn liewährte Autoren schmücken.2)

Das Bild, den Heiligen predigend im Kreise der Barbaren dar- stellend, ist von Frank gleich meisterhaft in Composition und Farbe in Fresko ausgeführt.


1) Der Werterhofer Fussboden, ein.· der schönsten Mosaiken diesseits der Alpen, wurde kaum eine Stunde vom Gränzwalle gefunden. Ihn bewahrt das National-Museum.

2) Wäre zu erweisen, was bisher zur grössten Wahrscheinlichkeit gebracht, dass nämlich die alten Markomannen die Stammväter 4er Bajuvaren sind, so lütte unser Volk bereits im Ausgange des IV. Jahrhunderts in Fridigild, der markomannischon Fürstentochter, die begeistert von der Lehre dos Heilandes durch den heiligen Ambrosius die Taufe einplangen, die erste Christin zu verehren, welche diesen Glauben auch unter ihrem Volke verbreitete.


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