Alte Quellen

Dreifaltigkeits-Kirche


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Quelle Zauner - München in Kunst und Geschichte (63)
Jahr 1914
Straße Pfandhausstraße 6

Dreifaltigkeits-Kirche. Pfandhausst.6. Geschichte. Die Kirche ist eine Votivkirche, zur Zeit des spanischen Erbfolgekrieges erbaut. Nach der für Bayern unglücklichen Schlacht gegen die Oesterreicher am Schellenberg (2. Juli 1704) flohen die Bewohner haufenweise aus der Stadt, auf den nahen Landstraßen drängten sich Futter- und Güterwagen. Eine fromme Jungfrau Maria Anna Lindmayr, spätere Karmeliternonne, die bei Hoch und Nieder große Verehrung genoß, gab damals die Anregung, zur Rettung der Stadt zu Ehren der hl. Dreifaltigkeit eine Kirche zu bauen, was auch einmütig von den 3 Ständen: Geistlichkeit, Adel und Bürgerschaft beschlossen und schließlich auf dem Platze des ehemaligen Kloster Altomünster-Hauses ausgeführt wurde; daher über dem Portal als Chronistichon die Widmung: „Deo Trino Condidere Voto tres Boici Status“; dazu in der Eingangshalle auf 2 Marmortafeln die Widmung aus der gleichen Zeit (lateinisch und deutsch).

Ziemlich gleichzeitig mit der Kirche wurde, daran anstoßend, auch «in Klosterbau errichtet, und zwar auf Betreiben der Kurfürstin Maria Anna, der 2. Gemahlin Maximilian I. (deren zwei Schwestern als Karmelitinerinnen in Paris lebten) für den Karmeliternonnenorden. Die Säkularisation hob 1803 das Kloster auf, errichtete darin eine städtische Pfand- und Leihanstalt (daher der Straßenname „Pfandhausstraße“) dabei wurden die Gebeine der verstorbenen Nonnen aus der Klostergruft entfernt und (nach FI 200) auf einem städtischen Dungwagen (!) auf den südlichen Friedhof in ein Massengrab verbracht (unmittelbar hinter der Graf Rechbergischen Gruft). Die Kirche selbst, und später auch die ehemaligen Klosterräume, wurden teils der großen „lateinischen Kongregation“ (s. Bürgersaal) eingeräumt, bei deren Mitgliedschaft bis heute der königliche Hof durch einen hohen Hofbeamten vertreten ist, teils nach einem Umbau 1878 dem Kunstgewerbeverein. [F].

Kunst. Kirche 1711 begonnen, 1714 im Bau und 1718 in der Ausstattung vollendet. Entwurf vom Italiener Giovanni Antonio Viscardi, kurfürstl. bayerischen Hofbaumeister; nach dessen Tod (1713) weitergeführt vom städtischen Baumeister Ettenhofer unter Mitwirkung von Enrico Zuccali. Die flüssige, atektonische Behandlung eines ursprünglich tektonischen Körpers (wie wir sie an der Johanneskirche in der Sendlingerstraße gewahren) ist eine letzte Phase in der Stilentwicklung des Barocks; es ist hier zudem die spezifisch nordische Phantasie, die diese Belebung des Steines, wie sie besonders in der Fassade uns entgegentritt, für möglich gehalten, die den Stein zu dieser organischen, vegetabilischen Ausdrucksform gezwungen hat. Die Italiener hiegegen haben sich auf diese Konsequenzen nie eingelassen. AVas wir in München an rein italienischen Bauwerken haben — wie die Dreifaltigkeitskirche, die zeitlich nur unbedeutend jener Johanneskirche vorangeht — sie zeigt zwar in ihrer Fassade einen ähnlichen Willen, jedoch an ganz andere Ausdrucksformen gebunden; das „Vorbauchen“ auch hier: allein die Bewegung ist nur dadurch gewonnen, daß sie nur in den Winkeln hervorbricht und zwischen den Säulen allerdings Bewegungszusammenhang erreicht, aber doch nur von jener untergeordneten Art, daß die Säule unter verschiedenen Achsen herauszutreten scheint. Im Einzelnen ist die Fassade, die im Grundriß den in 3 Seiten des Achtecks vorspringenden südwestlichen Kreuzesarm darstellt, kräftig und malerisch gegliedert und in 2 Geschosse abgeteilt, deren oberes mit korinthischen Pilastern und deren unteres mit jonischen, übereckgestellten Vollsäulen ausgestattet ist. Das Obergeschoß ist von einem gebrochenen Giebel gekrönt und nur in der Vorderseite des Achtecks herausgebildet; die beiden andern Seiten sind von Voluten gestützt. Auf der verkröpften Attika stehen Obelisken. Das Portal selbst ist durch 2 übereckgestellte Säulen und durch die verschiedenen Fensterformen malerisch belebt. Oben in der Nische St. Michael mit dem Flammenschwert, von Jos. Fichtl (1726). Im Grundriß zeigt sich hier zum erstenmal jene Kombination eines größeren Zentralraumes für die Gläubigen in Verbindung mit einem kleinern für Altar und Chor, die in der folgenden Rokokoperiode in Oberbayern schnell beliebt wurde. Der quadratische Hauptraum ist an den Ecken abgeschrägt. Darüber auf 8 Säulen, die mit gedrückten Bogen und Hängezwickeln verbunden sind, die Kuppel. In den 2 kurzen Kreuzarmen Seitenkapellen; über dem dritten die Orgelempore; im vierten der Hochaltar. In den Kreuzarmen Tonnengewölbe, im Chor flache Halbkuppel mit Stichkappen. Wandgliederung durch korinthische Säulen. Ueber der Kuppel der achtseitige niedrige Turm in Zeltdachform. Innenausstattung charakteristisch für den Uebergang des Barocks zum Rokoko: für den Barock die Akanthusmuster der Stuckornamente, für Rokoko die Art der Anlage und das Großformat des Deckenfresko, desgleichen die Bemalung der einzelnen Architekturglieder. Die Stukkaturen (von Joh. Gg. Baader) sind weiß gehalten auf blaßrosa und blaßgelbem Grund und mäßig verwendet: vorwiegend magere Akanthusranken mit Verwendung von Blattwerk, Blattzweige, Blatt- und Blumenschnüre, Festons.

Stimmungsvolle Deckengemälde 1715 von C. D.Asam (Erklärung nach Itr.J. Popp) „Das Innere der Dreifaltigkeitskirche“ 1907): Das Ganze ist sehr geschickt zwischen die 4 in die Kuppel einschneidenden Fenster komponiert, wodurch sich ein griechisches (gleicharmiges) Kreuz ergibt, das in der Mitte die Herrlichkeit Gottes abspiegelt; im Aufbau lassen sich gleichsam 3 Ringe unterscheiden, die in den Figuren und deren Farben ihre eigene Sprache reden, aber zugleich, organisch sich ineinanderschiebend, in die Höhe steigen. Entsprechend den 4 Kreuzarmen lassen sich gegen den Rand der Kuppel 4 Hauptgruppen mächtiger Gestalten wahrnehmen.

I. Kreis:

1. Gegen den Hochaltar ein gewaltiges goldenes Kreuz; an dessen Fuß sitzt eine Frauengestalt, die auf ihrem Schoß die Papstkrone und die Himmelsschlüssel trägt; in ihrer Rechten ein Kelch mit hl. Hostie: also wahrscheinlich die Personifikation von „Glaube“ und „Kirche“ zugleich; daneben eine Frau, ihr Kind nährend: die „Liebe“; dahinter eine Gestalt mit Oelzweig: die „Hoffnung“; rechts vom Kreuz stößt ein Engel den Satan in die Tiefe (dieser fliegt aus der Wölbung hinaus und reißt gleichsam ein Stück davon mit).

2. Ueber dem Theresienaltar kniet St. Petrus mit ausgebreiteten Armen, im Schauen nach der Höhe ganz entrückt; um ihn verschiedene Heilige, in Verzückung nach Maria in der Glorie blickend.

3. Ueber dem Josephsaltar einige bayerische Landesheilige: St. Benno, Kunigunda, Maximilian, mit der Inschrift: „A nobis pestem pellite, bella, famem.“

4. Ueber dem Singchor Elias auf feurigem Wagen mit 2 gewaltigen Pferden gen Himmel fahrend; darunter die Inschrift: „Zelo zelatus sum pro Domino cxercituum“. Diesen großartigen, in elementarem innern und äußern Schwung emporstrebenden Gruppen entsprechen in den Zwickeln die 4 Evangelisten: lebendige, pathetische Gestalten mit dramatischen Gesten.

II. Kreis. Hier gegen den Hochaltar mit Hinweis auf den Zweck des Bildes unter der ganzen Kirche die Inschrift: Deo uni et trino sit laus, honor et gloria perennis. Jubelnde himmlische Geister umgeben das Kreuz; hinter der Figur des Glaubens die symbolische Figur des Münchner Kindts mit der Fassadenzeichnung unserer Kirche; das Gegengewicht liegt in den Engeln über Elias. Der II. Kreis erhält nun gleichsam eine Querachse durch zwei in die Tiefe des Bildes, den III. Kreis, hineinragende Gruppen: über dem Theresienaltar schauen wir die Krönung Mariens, die sich im innern Ring vollzieht und dadurch rechts und links auch noch den Jubel der Heerscharen erklingen läßt: zur Linken kniet vor Maria in seliger Beschauung St. Theresia, zur Rechten wird St. Joseph mit Lilien bekränzt; dazu die Inschrift: „Alma Trias amoris virginei et decor Carmeli“. Gegenüber erhebt sich auf der Weltkugel Christus in die ewige Glorie.

III. Kreis, entstanden durch eine dritte Wolkenwelle mit unzähligen kleinen Engeln, die eine goldig leuchtende Tiefe umschließen, aus der Gott Vater mit dem hl. Geist herausschwebt wie aus einer strahlenden Unendlichkeit. Die Architektur wird hier ganz außer acht gelassen; wir sollen in den Bau des Himmels selbst hineingezogen werden und alles ringsum vergessen. Die zahlreichen Felder an den übrigen Wölbungen sind mit Bildern und Emblemen ausgefüllt, die sich auf das Geheimnis der hl. Dreifaltigkeit beziehen.

Durchaus barock sind die Altäre (Beschreibung nach Hf): Es sind Wandaltäre von ziemlich einfacher Konstruktion. Der Hochaltar hält mit seinem Schema der Dreiteilung noch am Typus des ausgehenden 17. Jahrh. fest; Gliederung durch glatte Säulen: in der Mitte prangt das Altarblatt, seitlich schweben in Nischen große Engelsfiguren. Fortschritt liegt in den geschwungenen Säulen kämpf ern, im gebrochenen Giebel und im immer wieder sich verkröpfenden Gebälk, wohl nach Vorbildern des italienischen Hochbarocks. (Rokoko-Tabemakel mit aufgelegten Ornamenten und einem Abendmahlrelief; bekrönt durch eine zum Himmel schwebende Elfenbein- Madonna; ebenso zierlich wie das Elfenbein-Krucifix). Aehnlich die Seitenaltäre; hier wechseln gedrehte und glatte Säulen. Das Gebälk läuft nicht über die ganze Breite der Anlage, sondern öffnet sich in der Mitte für kräftige Kartuschen mit Wappen: mithin (gegenüber der früheren streng geschlossenen Anlage) eine Lockerung der Architektur; die mit Laubwerk umwundenen Säulen zeigen noch den Typus vom Ende des 17. Jahrh. Uebereck gestellte Saiden tragen die weitausladenden Gebälkstücke. Die Dekoration ist eine massige: die Werke sollen nur durch den Bruch der Linien in den architektonischen Gliedern zu wirkungsvollem Reichtum gelangen. Seitlich stehen je 2 Figuren, die nach Art des 17. Jahrhunderts noch nicht in eine innige Verbindung mit der Gesammtkomposition gebracht sind.

In den Altargemälden [Popp, 1. c.] tritt der künstlerische Wert sehr zurück; dagegen sind sie als Typen der Richtung, die später das Altarblatt im Rokoko vielfach einschlägt, immerhin interessant: es wirkt in derlei sog. Visionsbildern noch italienischer Einfluß (Schule von Bologna) nach. Das Hochaltarbild 1711 interessiert durch die Art der Darstellung der hl. Dreifaltigkeit wie durch seinen Votivcharakter: aus den Himmelshöhen kommt mit ausgebreiteten Armen, im weißen Gewand, als Jüngling der hl. Geist; eine Strahlenkrone von 7 Flammen (die 7 Gaben) schmückt sein Haupt; dem Mund entströmt in Dreiecksform ein ätherischer Hauch, der die Schultern von Gott Vater und Sohn berührt, die in Brusthöhe unter ihm sitzen; ersterer mit der Weltkugel und den Gesetzestafeln, letzterer weist auf die Seitenwunde; unter ihnen dringt aus den Wolken ein Totenskelett (die Kriegsnot) drohend auf eine Frau ein, die unterm Mantel Mariens Schutz findet: es ist die Stadt München, deren Frauentürme aus den Worten rechts herüberragen. Die größere Hälfte malte noch Andreas Wolf selbst, den Rest nach dessen Tod sein Schüler Hofmaler Jos. Begier, charakterisiert durch kalten Silberton, kühles Blau und blasses Rosa. Gleichen Ton zeigt Begiers Bild am Theresienaltar (von Frans Ableithner 1718): St. Theresia, die Patronin der Karmeliterinnen, betrachtet die Wundmale Christi (verwoben wiederum mit einer Darstellung der Dreifaltigkeit). Auf dem Altar eine Mater propitia 1606. Zu Seiten die Statuen St. Johannes von Kreuz und der Prophet Elias (Karmeliter-Ordensheilige), hervorragende Werke Ableithners, — ein Beleg, daß im Rokoko die Bildhauerarbeit höher steht als das Tafelbild. Am Josephsaltar (1718, wahrscheinlich auch von Ableithner) Altargemälde v. Rufftni: Joseph opfert das göttliche Kind dem himmlischen Vater zum Heil der Welt; ihm selbst reicht ein Engel die Lilie; im Hintergrund eine Frau an der Wiege. Zu Seiten die würdevollen, anmutigen Gestalten St. Petrus und Johannes der Täufer, von Ableithner. — Kanzel mit 5 kleinen Oelgemälden. — Gegenüber der Kanzel das Kreuzbild mit der Schmerzhaften Mutter Gottes 1742, eine durchaus originelle Schöpfung eines unbekannten Meisters, ganz frei vom aufdringlichen Pathos jener Zeit.

Auf dem Theresienaltar (während der Fastenzeit) die überlebensgroße Wachsgruppe der Pietli (Leichnam Jesu auf dem Schoß Marions); Geschenk des Kurfürsten Maximilian I. an die lat. Kongregation, 1864 (im Farbenauftrag etwas zu kalt) renoviert. Es ist (nach Popp) eine Kopie des Gemäldes der Pieta von Willem Key (ca. 1500) in der hiesigen Alten Pinakothek.

Am Theresienaltar das Marmorgrabmal des Grafen Bechberg 1735, eines Förderers der lat. Kongregation.

Im Garten Marmorbüste des Herzogs Maximilian Philipp 1638—1705, Sohn des Kurfürsten Max I., errichtet von seiner Gemahlin Mauritia de Latour d’ Auvergne, Tochter des Herzogs Friedrich von Bouillon [KB, Br, W, Rb].

 


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{Karl Stankewitz}