Adressbuch(1880) - Unterer Anger

Adressbuch - 1880

Beschreibung:

Anger, unterer.

Herzog Ludwig der kehlheimer hatte bereits 1204 auf einem außerhalb er damaligen alten Stadt befindlichen Anger (in prato) ein Kirchlein zu Ehren des hl. Jakob sammt einem geringen Hause erbautm das nun „St. Jakob auf dem Anger“ hieß und von welchem dieser Stadttheil seinen Namen schöpfte. 1222 sandte der hl. Franziskus Seraphikus, der Gründer des nach ihm genannten Ordens, einen Pater nach München ab, um auch daselbst die Franziskaner einzuführen, und man räumze ihm und seinen Genossen sofort das St. Jakobskirchle in mit dem dazu gehörigenden Hause ein. Die Franziskaner säumten nun nicht, auf dieser Stelle ein Kloster und eine größere Kirche zu erbauen; dieß mag zur Mitte des 13. Jahrhunderts geschehen gewesen sein. 1280 erscheint urkundlich ein Qurdian der „Minderbrüder“ oder „Minoriten“, wie an dei Franziskaner gewöhnlich nannte. Ein Theil jenes ersten, ursprünglichen Buaes der St. Jakobskirche hat sich noch bis auf unsere Tage erhalten, und er ist daher der noch gegenwärtig bestehende älteste Kirchenbau in München. Die Jakobskirche war bei mäßiger Ausdehnung in der Uebergangsform vom romanischen zum gothischen Style erbaut. Sie ist jedoch durch Veränderungen im Laufe der Zeit den Augen der gegenwärtigen Besucher der „späteren“ Angerkirche gänzlich entzogen. Nur von der Schrannenhalle oder vom (ehemaligen) Heumarkte her, ist die Außenseite dieses uralten Kirchleins, das für München einen höchst interessanten baulichen Ueberrest bildet, zu erblicken. Als die Franziskaner auf dem heutigen Max-Joseph-Platze (s. denselben) ein neues Kloster und eine Kirche erhalten hatten, bezogen sie 1284 diese und verkauften alsdann das Kloster am Anger an Sighard den Sentlinger, der es schenkungsweise dem Clarissen-Orden einräumte, welcher noch am 16. Okt. desselben Jahres davon Besitz ergriff. Von nun an hatten die Clarissinnen dieses Kloster, das von jetzt ab auch das „St.-Clara-Kloster an dem Anger“ hieß, bis zu ihrer Aufhebung inne. Die wachsende Bevölkerung des Angers, insbesondere als dieser Bezirk gegen Ende des 13. Jahrhunderts der Stadt einverleibt wurde und in den inneren Bereich der neuen Stadtmauer kam, machte bald den Anbau einer größeren Kirche nothwendig, wogegen die bisherige alte als Hauskapelle den Nonnen in der Clausur verblieb. Doch diese neue Kirche, wahrscheinlich sehr schlecht gebaut, stürzte am 5. Okt. 1403 gänzlich zusammen, wurde aber sogleich wieder vom Grund aus in einem Zeitraum von fünf Jahren errichtet. Dieser Bau, wahrscheinlich zwischen 1404 und 10 eingeweiht, ist die gegenwärtige „äußere“ Angerkirche, welche jedoch im Verlaufe der Jahrhunderte vielfache Restaurierungen und sogenannte Verschönerungen erlitt, so daß sie ihres gothischen Styles ganz entkleidet ist. Die letzte Verunstaltung, wo sie ihre dermalige unpassende Fasade erhielt, traf sie 1810. Das Clarissinnen-Kloster verfiel am 2. Dez. 1803 der Säkularisation und wurden die Nonnen nach Dietramszell versetzt, worauf man die Gebäude zu einem Schulhause und 1836 zu einer Armenbeschäftigungs-Anstalt benutze. Am 28. Jul. 1841 aber ist es seiner früheren Bestimmung als Kloster wieder zurückgegeben worden, indem man das Mutterhaus der armen Schulschwestern hinein verlegte. Die zu diesem Zwecke nöthigen Neubauten wurden von 1842-43 hergestellt und am 16. Okt. letzgenannten Jahres — also genau nach 559 Jahren seit die ersten Nonnen dort gewirkt hatten — zog wieder ein neuer weiblicher Orden ein. — Die noch bestehnde, aber längst vom Anger entfernte Jakobidult (Messe) trägt ihren Namen von der Oertlichkeit vor dem Jakobskloster. Mit dem Portiunkula-Ablaß (indulgentia), den Papst Bonifatius IX. der Kirche am Anger 1392 verlieh, bei Gelehenheit der zeitweiligen Verbringung der 1388 am Berge Andechs aufgefundenen Reliquien nach München, hat das Wort „Dult“ nichts gemein, indem es keine Abkürzung von indultum, sondern das gothische „Dulth“ und althochdeutsche „tult“ ist, das so viel heißt wie „Fest“ oder „Feier“ (patrocinium), wie auch aus Urkunden von 1402 und 1431 erhellt. Ebenso unrichtig ist die Angabe, daß der erste Jahrmarkt mit dem 1392 verliehenen Ablaß zusammenfiel; am Anger wurden schon Jahrmärkte abgehalten, als der Platz noch wirklich eine Wiese war. — 1436 sah sich der Magistrat durch die eingerissene Sittenlosigkeit veranlaßt, in der jetzt in der Blumenstraße aufgegangenen „Mühlgasse“ in der Nähe des Angerthores der Stadtmauer gegenüber, sohin bei der einstigen Schleifmühle, ein „gemeines Frauenhaus“ erbauen zu lassen. Dieses Haus wurde aber nach vorhergegangenen scharfen Befehlen der religiösen und sittlich strengen Herzoge Albecht V. und Wilhelm V. 1579 geschlossen und dasselbe dann zur Wohnung dem damals neu aufgestellten städtischen Wasenmeister (Schinder genannt) angewiesen. Die bei der nun demolierten Schleifmühle über den Angerbach führende Brücke hieß aber ab da von Jahrhunderte lang im Volke die „H....brücke„, eine Bezeichnung, welche der Bericht der k. Baukommission vom 9. Dez. 1811 als noch immer üblich beklagt. — Der untere Anger trug einst die Namen: „Mühlgasse„, „Angerbachgasse„ und schließlich „untere Angerbachgasse„, zur Unterscheidung von der „oberen„, wobei die früher zwischen beiden kenntlichere Nieveaudifferenzierung als heute bestimmend gewesen sein wird.

Verlauf: Beginnt am Heumarkt nächst des städtischen Feuerhauses, läuft mit dem oberen Anger fast parallel und endet an der Blumenstraße ungefähr beim südwestlichen Pavillon der Schrannenhalle.


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{Karl Stankewitz}