Rambaldi(1894) - Utzschneiderstraße

Rambaldi - 1894

Beschreibung: 675. Utzschneiderstraße. Verbindet die Blumenstraße am nordöstlichen Pavillon der Schrannenhalle mit der Reichenbach- und Rumfordstraße. Der Name »Utzschneider« *) verdient bei den Münchnern ewig unvergessen zu bleiben, denn sowohl dieses Mannes rastlose Thätigkeit für Industrie, als auch sein edler Charakter haben für München unendlich viel Gutes geschaffen und andere zu gleichem Streben angeeifert. Utzschneider wurde als Sohn unbemittelter Landleute am 2. März 1763 zu Rieden am Staffelsee geboren und wurde durch seiner Mutter Bruder Andrä, den Zahlmeister der Herzogin Maria Anna, der in der Geschichte des von Karl Theodor beabsichtigten Ländertausches durch seine Treue und deshalb erlittene Verfolgung und jahrelange Einkerkerung rühmlichst bekannt geworden, in der Kadettenschule in München untergebracht und setzte seine Studien an dem dortigen Gymnasium fort. Utzschneider kam später selbst in den Dienst der Herzogin und hierauf als Hofkammerrat in den des Kurfürsten. Von da an begann seine segensreiche Thätigkeit für Bayern und besonders für München. Verdient machte er sich zunächst um die Förderung der Salzfabrikation und des Salzhandels, sowie um Ordnung des zerrütteten Staatshaushaltes. Da seine Verbesserungsanträge manchmal sehr eingreifend und ungewöhnlich waren, so stießen sie bei andern auf Mißverständnisse und Unwillen, was zuletzt seine Enthebung vom Staatsdienste veranlaßte (1801). Nun kehrte Utzschneider seine ganze Thätigkeit industriellen Unternehmungen zu. Er gründete zu München eine Ledermanufaktur und im Vereine mit Reichenbach und Fraunhofer ein mechanisches und optisches Institut; aus letzterem gingen später die noch heute blühenden Institute des Mechanikers Ertel und des Optikers Merz hervor. In Benediktbeuren errichtete Utzschneider eine Fabrik zur Bereitung feinen Glases für optische Gläser; einen sachverständigen Leiter derselben hatte er selbst aus Genf geholt. So beschäftigte er Hunderte von Arbeitern. 1807 wurde er nach so vielen Beweisen seiner Tüchtigkeit wieder als General-Salinen-Administrator in den Staatsdienst berufen. Der Bau der Saline in Rosenheim, die große Landesvermessung und Herstellung der Grundkataster — ein von den Franzosen und Engländern als das Vorzüglichste in diesem Fache gepriesenes Werk -—fand in ihm den eifrigsten Beförderer; desgleichen die Ordnung der Staatsschulden. Aber bald hatte er wiederum mit Neid und Mißgunst zu kämpfen, so daß er 1814 seine Stelle niederlegte. Ins Privatleben zurückgetreten, gründete er eine Bierbrauerei, bewirtschaftete einen großen Bauernhof bei Giesing und widmete seine Aufmerksamkeit dem Baue der Runkelrübe, deren Verwendung zur Zuckerbereitung damals eben an verschiedenen Orten Deutschlands versucht wurde. Im Jahre 1818 endlich wählte ihn die Bürgerschaft Münchens zu ihrem Bürgermeister; als solcher wirkte er höchst verdienstvoll für die Vermehrung der Volksschulen, Anlage von Kanälen ec. und verzichtete obendrein auf seinen Bürgermeistergehalt zu Gunsten der niederen Magistratsbediensteten. Indes überschritt er das 60. Lebensjahr und zog sich vom Gemeindedienste zurück, durch Erreichung dieses Alters hier berechtigt. Aber noch nicht rastete der unermüdliche Mann, den eine immer gleiche Gesundheit, unterstützt durch ein regelmäßiges Leben und stets heitere Laune, zur Seite stand, Teils widmete er sich Gegenständen der Landwirtschaft, des Gewerbewesens und der Volksbildung, teils erfüllte er den inhaltsschweren Beruf eines Abgeordneten zum bayerischen Landtage, wozu ihn das Vertrauen seiner Mitbürger noch berufen hatte. Im Begriffe, von seinem Landsitze bei Obergiesing am 29. Jan. 1840 in die Versammlung der Abgeordneten sich zu begeben, wurde sein Wagen beim Herabfahren über den Giesingerberg durch Scheuwerden der Pferde umgeworfen, und der bereits 77jährige Mann tödlich verletzt; am 31. Januar trugen ihn 16 Münchener Bürger, gefolgt von einer zahllosen Menge Leidtragender, zu Grabe. Sein Grabmal ziert die Aufschrift: »Dem edelsten Vaterlandsfreunde.« Utzschneiders Wahlspruch lautete: »Ich wünsche den Wohlstand aller, nicht den Reichtum einzelner wenger«; der Durchführung dieses Grundsatzes auf gesetzmäßige Weise war sein ganzes Leben gewidmet. Der Magistrat ließ seine Büste in einer Nische im Rondell des alten südlichen Friedhofes aufstellen. Die Anlage der Straße begann 1840, ihren Namen führt sie seit 6. Dezbr. 1844.

*) Vgl. Leher, Bayerland, Jahrgang 1890 S. 233.


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{Karl Stankewitz}