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Quelle: |
Straße Von-Gravenreuth-Straße
Signatur DE-1992-STRA-40-71
Archivalie Straßenbenennung-Hausnummerierung
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Dokument Änderungen von Straßennamen militärhistorischen Ursprungs
  Beschluß des Bau- und Vergabeausschusses vom 10.2.1972 (öffentlich)
DE-1992-STRA-40-71

I. Vortrag des Referenten

Mit Schreiben vom 2. september 1970 wurde vom Deutschen Gewerkschaftsbund Kreis Münchern Jugend angeregt, "Straßennamen, die an Militär, Militarismus oder Krieg erinnern, durch solche zu ersetzen, die etwas mit dem Kampf für den Frieden zu tun haben." Die Deutsche Friedensgesellschaft Inernationale der Kriegsdienstgegner e.V. erhon dieselbe Forderung und nannte insbesondere die Straßenbezeichnung nach Paul Legarde und nach Lothar von Trotha.

Der Bezirksausschuß 21 teilte mit Schreiben vom 7.1.1971 mit, daß er Anregung, Straßen, die an Militarismus und Krieg erinnern, umzubenennen, grundsätzlich untestütze. Der Bezirksausschuß 25 vertrat mit dem Schreiben vom 25.1.1971 die Auffassung, daß München in seiner Geschichte noch nie eine Stadt gewesen sei, in der militärische Tradition bei der Bevölkerung in hohem Ansehen gestanden habe. Dem sollte Rechnung getragen werden. Außerdem sei es an der Zeit, "nicht nur die unmittelbaren Vertreter des Dritten Reiches, sondern auch ihre geistigen Helfershelfer und Urväter dem Öffentlichen Vergessen und nicht der öffentlichen Ehrung zu überantworten.

Der Bezirksausschuß 32 teilte mit Schreiben vom 18.1.1971 mit, daß die Anlieger der Von-Trrotha-Straße an einer Umbenennung nicht interessiert seien. Er stimmt jedoch grundsätzlich dem Vorschlag der Deutschen Friedensgesellschaft zu, sofern "genaue Unterlagen vorgelegt werden."

Mit Beschluß des Bau- und Vergabeausschusses vom 22.7.1971 wurde das Baureferat beauftragt, die von den Bezirksausschüssen vorgebrachten Anregungen zu überprüfen und nach Vorliegen des Prüfungsergebnisses erneut zu berichten. Es handel sich dabei um folgende Straßen:

Von-Erckert-Straße bzw. Platz, Von-Gravenreuth-Straße, Von-Trotha-Straße, Von Heydebreck-Straße und Paul-Legarde-Straße.

Hierzu führt das Baureferat folgendes aus:

Das Baureferat hat die Direktion der städtischen Bibiotheken und das Stadtarchiv um Stellungsnahme gebeten, ob die vorgenannten Namen für eine Straßenbenennung noch geeignet seien oder ob eine Umbenennung vorgenommen werden sollte. Diese Stellungsnahme sind dem Beschluß in Anlage beigefügt.

Zusammenfassend wird in den Stellungsnahmen folgendes festgestellt:

  1. Aus den Unterlagen des Stadtarchivs und der Direktion der städtischen Bibilotheken geht eindeutig hervor, daß die vier Offiziere Friedrich von Erckert, Karl Freiherr von Gravenreuth, Lothar von Trotha, Joachim von Heydebreck der ehemaligen Schutztruppe keine Exponenten des Rassismus, Militarismus oder Kolonialismus waren. Um eine möglichst objektive ANtwort auf die Frage geben zu können, ob diese Namen noch als Münchner Straßennamen tragbar sind, wurde in der Hauptsache Literatur hinzugezogen, die vor 1933 erschienen ist und Anspruck auf historische Zuverlässigkeit erheben kann. Die wenigen Bücher, die im Dritten Reich über die genannten Offiziere geschrieben wurden, stützen sich auf die militärhistorischen Quellenwerke und bieten nichts Neues, ob gesehen von einem militanten oder glorifizierenden Darstellungsstil.
  2. Paul Anton de Largarde war Profesor der Orientalistik und hat durch seine textkritischen Arbeiten zum Alten Testament sowie durch seine politischen und kulturkritischen Schriften einen Namen gemacht. Wegen seiner kritischen Einstellung zum Judentum brachte ihn Alfred Rosenberg im Dritten Reich zu neuem Ansehen, wobei allerdings ein gründliches Mißverständnis der philosophischen Grundlagen Largarde's zu einer heute wieder revidierten Fälschung seines Denkens geführt hat. Nach Auffasssung der Direktion der städtischen Bibliotheken besteht kein Grund, den Kulturphilosophen und Orientalisten aus dem geschichtlichen Bewußtsein zu löschen, zumal ihm die falsche Interpretation seiner Gedanken durch die Nationalsozialisten nicht angelastet werden kann.
  3. Die Direktion der städtischen Bibliotheken hat in ihrem Schreiben vom 29.12.1971 auch zu der Straßenbenennung im 25. Stadtbezirk nach Kulius Langbehn Stellung genommen. Es wird festgestellt, daß auch er im Dritten Reich als Vorkämpfer fpr das "deutsche Wesen" in Anspruch genommen wurde. Heute wisse man aber, daß dies nur opportunistische Propaganda gewesen sei und die Bedeutung von Langbehn in seiner Einflußnahme auf den Jugendstil und den Expressionismus liege.

Auch die im Straßenbenennungsverfahren einzuschaltenden Gutachter wurden um Stellungsnahme gebeten. Es sind dies die Herrn Bürgermeister Dr. Steinkohl, Stadtschulrat Dr. Fingerle, Stadrat Dr. Hohenemser, Stadtrat Bauer und Stadtdirektor Kohl. Sämtliche Gutachter vertreten die Auffassung, daß für eine Änderung der Straßennamen keinerlei Veranlassung gegeben sei. Herr Professor Dr. Fingerle weist noch darauf hin, daß das Geschichtsbild unserer Stadt eine vielfältige Struktur aufweise und dies Tatsache sich auch in der reichen Palette dr Straßennamen zeige, die gewiß epochal und in den wenigsten Fällen "überzeitlich" zu verstehen seien. Herr Bürgermeister Dr. Steinkohl betrachtet es geradezu als anmaßend, wenn unsere Zeitepoche glaube, über alle früheren sich als Richter aufspielen zu können. Wenn jede Zeitepoche sich das anmaßen würde, wäre die Benennung von Straßen nach geschichtlichen Personen geradezu sinnlos. Er zitierte abschließend Golo Mann:

"Die Geschichte ist nicht ein Mantel, den ein Volk einfach ausziehen und in den Kleiderschrank hängen kann."

Gegen eine Umbenennung sprechen auch noch rechtliche Gründe:

Grundlage für die Benennung oder Umbenennung einer Straße ist Art. 52 BayStrWG in Verbindung mit der Satzung über die Benennung von öffenlichen Verkehrsflächen und die Umnummerierung der Gebäude und Grundstücke in der Landeshauptstadt München (Straßennamen- und Hausnummersatzung) vom 19.12.1968. Nach einem Urteil des Bayerischen verwaltungsgerichtshofes vom 28,6,1965 stellt jede Straßenumbenennung für die Anlieger einen Verwaltungsakt dar, der gerichtlich angefochten werden kann. Soll eine Entscheidung über eine Umbenennung einer Straße einer verwaltungsgerichtlichen Nachprüfung standhalten, so muss sie den sachlichen Gesichtspunkten entsprechen, die sich aus den Sinn und Zweck des Gesetzes ergeben. Art. 52 BayStrWG und die Straßennamen- und Hausnummersatzung sind Vorschriften, die in die Bereiche der öffentlichen Sicherheit und Ordnung sowie des Kommunalrechts einzuordnen sind. Sicherheitsrechtliche Erwägungen gebieten keine Änderung der beanstandeten Straßennamen, weil die Merkmale zur Rechtfertigung einer Umbenennung (erleichterte Auffindbarkeit für jedermann, Beseitigung von Verwechsungsgefahren oder Doppelbenennungen etc.) nicht vorliegen. Es muss damit gerechnet werden, daß eine Anzahl der Betroffenen von der Möglichkeit, Rechtsmittel einzulegen, Gebtacu machen wird. Dies ist insbesondere wegen der nicht unerheblichen Kosten bei einer Umbenennung zu erwarten. Ob soclhe Prozesse für die Sadt positiv ausgehen würden, erscheint aus den obengenannten Gründen zweifelhaft.

Der zustöndige Korefernt und der Verwaltungsbeirat haben bdruck erhalten.

II.  Antrag des Referenten

Meinem Vortrag entsprechend beantrage ich folgendes:

Eine Änderung von Straßennamen militärhistorischen Ursprungs sowie im Vortrag angesprochen Straßennamen ist nicht veranlaßt. Aus den vorgenannten Gründen kann daher den Anregungen der Bezirksausschüsse 21,25 und 32 vom 7.1.1971, 18.1.1971 und 25.1.1971 nicht entsprochen werden.

III, Beschluß
Nach Antrag.

IV. Abdruck von I - III

an das Direktorium Verwaltungsamt
an das Revisionsamt
an das Stadtarchiv

mit der Bitte um Kenntnisname

. WV beim Baureferat/SG4 zur weiteren Veranlassung.

Stadrat der Landeshauptstadt München