Veranstaltungen - Geschichte - Kunst & Denkmal
Name | Neues Rathaus |
Architekt | Hauberrisser Georg von |
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Stadtbezirk | 1. Altstadt-Lehel |
Stadtbezirksteil | Graggenau |
Straße | Marienplatz 8 |
Jahr Baubeginn | 1897 |
Jahr Fertigstellung | 1897 |
Baustil | neugotisch |
Kategorie | Rathaus |
Suchbegriffe | Neues Rathaus |
mehrere Höfe umschließender fünfgeschossiger Sichtziegelstein-Komplex mit Natursteingliederung, umlaufenden Arkaden, Erkern, Türmen und Ziergiebeln, außen wie innen reiche architektonisch-plastische Ausstattung in neugotischen Formen, von Georg von Hauberrisser, Osthälfte 1867-74, rückseitig 1889-93, Westteil mit Turm und Prunkhof 1899-1908/09 (Geschütztes Kulturgut)
Rathaus, Neues am Marienplatz
Zauner - München in Kunst und Geschichte (1914)
Marienplatz 8. Neues Rathaus. Der in drei Abschnitten 1867- 1908 nach Entwurf von Georg v. Hauberrisser verwirklichte monumentale Rathausneubau, der in schlechthin zentraler Altstadtlage den gesamten Block zwischen der Marienplatz-Nordseite und der Landschaftsstraße, mit Schmalseiten an der Weinstraße (westlich) und der Dienerstraße (östlich), mit ursprünglich rund 25 (im Besitz zum Teil verbundenen) alten Bürgerhausparzellen in Anspruch nahm, bedeutete flächenmäßig den größten Eingriff in das Innenstadtgefüge seit den Baumaßnahmen Wilhelms V im späteren 16. Jh., dem Jesuitenkollegium (mit St. Michael) und der Herzog-Max-Burg. Der sechs verschieden große Höfe umgreifende neugotische Komplex von 9159 m2 Gesamtfläche (davon 7115 m2 überbaut), mit 98,5 m langer Platzfront im Süden, 111m langer Nordfront und ca. 85 m langen Schmalseiten entsprach infolge lagebedingter kleiner Unregelmäßigkeiten und scheinbaren wie tatsächlichen Wachstums, dessen Ablesbarkeit durch unterschiedliche Stilnuancen noch verstärkt wurde, dem zeitgenössisch vorherrschenden Ideal einer bildhaft-malerischen, asymmetrischen, abwechslungsreichen und Stimmungshaften Architektur historischen Charakters. Im Unterschied etwa zur eher abweisend-distanzierten Monumentalität des in ein neues Stadtquartier mit Grünflächen eingebetteten, rigoros symmetrischen, gleichfalls neugotischen Wiener Rathauses (1872-1882 von Friedrich von Schmidt) ist der kleinere Münchner Neubau dank geradezu beengter Altstadt-Mittellage und ringsum einbezogenen Läden mit dem bürgerlichen Alltagsleben verwachsen und - nicht zuletzt zusätzlich durch sein Glockenspiel - wahrhaft volkstümlich geworden.
Die im Einzelnen seit der Spätgotik laufend veränderte, in diesem Kernbereich besonders stattliche Bürgerhausbebauung ist vergleichsweise gut dokumentiert, flächendeckend vor allem durch Sandtners Stadtmodell von 1570, Volckmers Stadtplan von 1613 und Stimmelmayrs Abwicklungen (Ende 18. Jh.), für die Markt-Nordseite durch zahlreiche sie betreffende Platzansichten, u. a. von M. Merian (um 1640), J. B. Kilian (Mariensäule, um 1660), M. Wening (um 1700) und S. Prout (um 1830), Ereignisbilder (z. B. Turnier 1586, Fürstenhochzeit 1613, Weihe der Mariensäule 1638) und zuletzt Fotoaufnahmen des mittleren 19. Jh. Die 1867 abgebrochene Osthälfte der Marienplatz-Nord-zeile umfasste fünf mittelalterliche Parzellen, die seit der 2. Hälfte des 16. Jh. sukzessive von den Landständen Oberbay-ems erworben worden waren; das dritte und vierte Haus von Osten, bereits bei Sandtner (1570) ein großes gotisches Doppelhaus mit mächtigem Steildach, wurde 1554 bzw. 1595 von den Ständen erworben und ist bei Merian und Wening mit reicher manieristischer Fassadenmalerei dargestellt; 1733
Landschaftsgebäude zusammen mit dem hinzuerworbenen östlichen Nachbarhaus durch Johann Georg Ettenhofer äußerlich in reichen Spätbarockformen umgestaltet, die am besten eine Ansicht von L. Huber/C. A. Lebschee (um 1860/66) zeigt. 1771 kam das barock fassadierte westliche Nachbarhaus hinzu, 1807 das östliche, im Kem gotische Eckhaus, die ehern. Ratstrinkstube (seit 1428) mit Pultdach, Eckturmerker und im Rokoko umgestalteter Fassade. Der z. T. nördlich bis zur Landschafts Straße reichende, seit 1808 staatliche Komplex war Sitz der Regierung von Oberbayern bis zur Vollendung ihres neuen Gebäudes Ma-ximilianstraße 39 (s. dort) 1864. - Westlich schloss sich bis zum Abbruch 1899 das 1835 um- oder neu erbaute Pschorranwesen (Doppelhaus) mit einer markanten klassizistischen Rustikafassade an. Unter den restlichen, von der Stadt sukzessive 1875-96 erworbenen Bürgerhäusern des Blockes treten auf Sandtners Modell besonders die Eckhäuser im Südwesten (Wurmeck, im Mittelalter der Familie Schönecker gehörig, zuletzt fünfgeschossig mit wohl frühklassizistischer Fassadengestaltung) und das sog. Kloibereck im Nordwesten (ehern. Weinstraße 15) mit damals mächtigem nordseitigem Treppengiebel hervor (im 15. Jh. der Familie Kleuber gehörig, 1899 abgebrochen).
Zwar legte Eduard Metzger 1865 unaufgefordert eine Entwurfsskizze für einen gotisierenden Rathausneubau an der Südseite der neuen Maximilianstraße vor, doch beschlossen in eben diesem Jahr die beiden Gemeindekollegien den Erwerb des leer stehenden Landschaftsgebäudes und somit den Neubau in der Nachbarschaft des Alten Rathauses. Am 7. November 1865 erfolgte die Ausschreibung eines Wettbewerbs. Der anhaltende, vehemente Stilstreit - ob Neurenaissance (Entwürfe u. a. von Stadtbaurat Arnold Zenetti sowie von Ludwig und Emil Lange) oder neugotisch - wurde durch die massive Einflussnahme des im Gemeindebe-vollmächtigten-Kollegium dominierenden Erzgießers Ferdinand von Miller zugunsten des mittelalterlichen Stils entschieden, der ambivalent als Ausdruck nationaler Eigenart sowie bürgerlichen Selbstbewusstseins in Anknüpfung an die Blütezeit der flandrischen Kommunen und der deutschen Reichsstädte (so von dem Historiker Joh. Nep. Sepp) oder aber von kritischen Liberalen wie Friedrich Pecht als reaktionärer „Pfaffenstil“ gedeutet werden konnte. Statt des nicht erteilten 1. Preises wurden mehrere Ankäufe getätigt, u. a. des neugotischen Entwurfes von dem jungen, bei Friedrich von Schmidt geschulten Georg Hauberrisser (1841 1922) aus Graz, der nach Vorlage eines neuen Projektes Anfang Dezember 1866 den Auftrag erhielt. Anfang Mai 1867 wurden seine Ausführungspläne genehmigt, am 25. August der Grundstein gelegt und der Bau in der Folge unter der Aufsicht von Stadtbaurat Zenetti und des Stadtbauamtes bis Frühjahr 1873 im Wesentlichen fertiggestellt. An beteiligten Maurermeistern nennt die wurde die Festschrift von 1883 Friedrich Fischer, Josef und Hanno Bürkl, Ludwig Deiglmayr und Josef Honig, weiters die Zimmermeister Max Veltin, Michael Reifenstuel sen. und Georg Leib jun. Im Frühjahr 1870 legte Hauberrisser einen geänderten Plan vor, der für die Hauptfront eine beträchtliche Steigerung des architektonischen und bauplastischen Aufwandes vorsah; auf ihn gehen u. a. die Mittelloggia mit den Wimpergen, der Prunkgiebel und im 3. Stock die spitzbogigen Doppelfenster zurück. Am 3. August 1870 bezog die Hauptwache (früher Marienplatz 1, s. dort) ihre neuen Räume im Erdgeschoss westlich des Haupteingangs (bis zu ihrer Auflösung 1906). 1874 zog die Verwaltung ein, wurde am 1. August der Ratskeller eröffnet und fand am 7. September die erste Magistratssitzung statt; doch dauerten die besonders aufwendigen Ausstattungsarbeiten in den Sitzungssälen von 1871 bis 1880 (erste Magistratssitzung hier am 4. Januar 1881).
Der zunächst als in sich geschlossene Anlage angesehene, jedoch von vornherein viel zu klein bemessene erste Bauabschnitt ist um einen schmalen Doppelhof im Süden beiderseits des sechseckigen Zwischenbaus vor den Sitzungssälen und einen großen Nordhof gruppiert. Der Erweiterungsbau nach Norden bis an die Landschaftsstraße auf vier alten Parzellen konnte erst erfolgen, nachdem das nordöstliche Eckhaus an der Dienerstraße 1887 erworben wurde; dessen westliches Nachbarhaus war schon 1875 gekauft worden, das westlich anschließende Doppelanwesen gehörte seit 1798 zum Landschaftsgebäude und wurde 1891 abgebrochen. Der einen weiteren schmalen Hof bildende zweite Bauabschnitt im Nordosten wurde 1889 begonnen und 1892 bezogen.
Der dritte Bauabschnitt, der die gesamte Westhälfte des Blocks ausfüllt, entstand 1899-1908/09 abermals nach Plänen von Hauberrisser, den bei der Ausführung Anton Bader unterstützte; erste Diensträume wurden schon 1902 bezogen. Der Turm in der Mitte des neuen Südtraktes erhielt aufgrund einer Stiftung des Konsuls Karl Rosipal von 1904 ein Glockenspiel mit beweglichen Figuren, das 1908 in Betrieb genommen wurde; der Spitze wurde 1905 das kupfergetriebene „Münchner Kindl“ von Bildhauer Anton Schmid aufgesetzt. In diesem Jahr waren auch die Ratskeller- Erweiterung nach Westen, die Fassadenausgestaltung und Innenausstattung sowie im Nordflügel Kassenhalle (Erdgeschoss) und Bibliothek (3. Stock) vollendet, restliche Arbeiten zogen sich bis zur Jahreswende 1908/09 hin.
Den Zweiten Weltkrieg konnte die immense Baumasse überstehen, doch entstanden 1942-45 schwere Schäden in der gesamten Dachzone, welche abbrannte, an den Fassaden, vor allem an deren plastischer Gliederung und Ausstattung, sowie an dem zu beträchtlichen Teilen zerstörten Nordtrakt an der Landschaftsstraße. Im Zuge des 1946 begonnenen, erst ab 1948 voll einsetzenden Wiederaufbaus unter der Leitung von Hermann Leitenstorfer und Karl Delisle wurden u. a. 1950-52 nach Leitenstorfers Entwurf die Fehlstellen im mittleren und oberen Bereich des Nordflügels in geänderter Form (mit Putzfassade) geschlossen, der Ostflügel 1953 instand gesetzt und die Dachzone des Südtraktes durch einen kaum auffallenden Ausbau hinter den Zinnen ausgebaut (statt der ehemaligen Lukar-nen). Der Zinnenkranz im Südosten wurde in Backstein erneuert, auf die Turmspitze an der Südostecke damals noch verzichtet, die erst 2005 wieder aufgesetzt wurde. Während einer zweiten Restaurierungsphase 1975-1983 wurde vor allem der durch den Luftkrieg reduzierte plastische Schmuck der Platzfront rekonstruierend erneuert, u. a. der dreiteilige Prunkerker am Giebelrisalit mitsamt seinen Figuren (Bildhauer Rudo Göschei); die ergänzend wiederhergestellte Bronze-Reiterfigur des Prinzregenten Luitpold (von Ferdinand von Miller) wurde 1977 wieder aufgestellt. Um 2002 wurde auch der Ziergitteraufsatz des Dachfirstes rekonstruiert. 2007 Restaurierungsmaßnahmen an Turm und Glockenspiel. 1982 wurde die schadhafte Spitze des Rathausturmhelms ausgewechselt.
Die beiden Bauabschnitte von 1867 ff. und 1899 ff. zeigen deutliche Unterschiede hinsichtlich des verwendeten Materials, der städtebaulichen Konzeption, der dem Zeitempfinden verpflichteten Interpretation der Neugotik wie der künstlerischen Entwicklung des Architekten. Die ältere, eher an der Früh- und Hochgotik orientierte Osthälfte ist nicht nur aus Sparsamkeitsgründen architektonisch karger, strenger und trockener, nur nach oben hin zunehmend reicher gegliedert und aufgelöst, zudem in Blankziegelmauerwerk mit Gliederungen aus Neckartenslinger Sandstein aufgefuhrt; die Neben- und speziell die Hoffassaden wirken vergleichsweise nüchtern in der Art norddeutscher Neo-Backsteingotik. Ein Hauptkennzeichen ist die im Grunde nachmittelalterlich-klassischer Tradition verpflichtete Symmetrie der Platzfront im Süden mit dem übergiebelten mittleren Prunkrisalit.
Der eine Generation jüngere Westteil ist durch die zeitgemäße Tendenz zur Asymmetrie, zu malerisch-inszenatorischer Wirkung, zu aufs Höchste gesteigertem späthistorischem Detailreichtum und Materialaufwand gekennzeichnet. Die Fassaden - hier völlig in Naturstein - sind mit oberbayerischem Tuff verkleidet, die Gliederungen aus Kelheimer Kalkstein gehauen. Die ältere Osthälfte der Hauptfront wurde durch zusätzliche reichere Instrumentierung und Fortsetzen des vorgelegten Arkadenganges samt Strebewerk darüber angleichend mit dem Neubau verbunden, doch so, dass insgesamt der intendierte Eindruck des Gewachsenseins und der Asymmetrie - mit Turm und Giebelrisalit als unterschiedlichen Dominanten beider Hälften - gewahrt blieb. Die zu höchster Pracht verdichtete Fülle architektonischer wie plastischer Details etwa im Bereich der Südwestecke und an der aus der engen Weinstraße bis zu sechs Geschossen aufsteigenden, in der allein anschaulichen Verkürzung phantastisch wirkenden Westfassade offenbart im freien Umgang mit dem nunmehr vorwiegend spätgotischen Formenrepertoire die Virtuosität von Hauberrissers Spätstil (der im pluralistischen Zeitspektrum nicht unbedingt als verspätet gelten muss, sondern durchaus mit spätromantischen Partituren etwa von R. Strauss, Mahler oder auch Regers Variationen über historische Themen vergleichbar ist). Eine neue Unbefangenheit wird im Einbeziehen auch anderer Stillagen deutlich (im Westflügel z. T. Decken mit Rahmenstuck; neubarocke Bibliothek).
Der steinerne, 85 m hohe, mittelalterliche belgische Vorbilder (Brügge, Brüssel, auch Kathedralturm Antwerpen) und den Abschluss desjenigen der Bozener Pfarrkirche frei variierende Turm mit abschnittsweiser Verjüngung, Umgängen, polygonalen Ecktürmchen, achteckigem Oberteil und durchbrochenem Spitzhelm bereicherte Münchens Silhouette um ein neues werksteinfiligranes Element. Die Turm-Vorderfront ist in drei Balkon- Loggien aufgelöst, darüber in Dachhöhe der Glockenspielerker mit beweglichen, kupfergetriebenen Figurengruppen auf zwei Hauptebenen eingelassen - unten Schäfflertanz, darüber Ritterturnier auf dem Marienplatz 1568 anlässlich der Vermählung Wilhelms V. mit Renata von Lothringen. Durchfahrten unter dem Turm und von der Weinstraße stellen die Verbindung her zum großen, von viergeschossigen Natursteinfassaden (Muschelkalk, Tuff) umschlossenen Prunkhof des Westbaues, mit (1975 wiederhergestellter) Pflasterung in Form eines gotischen Labyrinths, hochragendem Bibliotheksrisalit im Norden (früher mit zwei Giebeln) und prächtigem polygonalem Treppenturm im Westen mit offenem, spiraligem Außenaufgang und innenliegender Spindel. Ein inmitten des Gesamtkomplexes situierter, als Spitzturm geformter Lüftungskamin ist als Akzent im Stadtbild wirksam.
Die figürliche Ausstattung der Fassaden des ersten Bauabschnitts war noch vergleichsweise sparsam, mit den vier Allegorien der Bürgertugenden Gewerbefleiß, Häuslichkeit, Bürgermut und Mildtätigkeit von Anton Heß (1869) an den Pfeilern des Prunkbalkons am Giebelrisalit als Schwerpunkt (Rekonstruktionen von Rudo Göschei 1972); dazu im Giebel das Stadtwappen, an der Südostecke der hl. Georg (von Syrius Eberle). Überaus differenziert ist hingegen das plastische Programm der Bauphase ab 1898 (vollständig im Einzelnen bei Biller/Rasp 2003 und Huber 2005). Ein über die gesamte Südfassade verteilter, auch auf den Altbau übergreifender Steinfigurenzyklus von 43 Herrschern Bayerns seit der Mitte des 12. Jh. ist als Selbstdarstellung Münchens in seiner Rolle als Haupt- und Residenzstadt zu verstehen. Unter den Namen der 40 beteiligten Künstler sind - neben vielen heute kaum noch bekannten - fast alle namhaften Münchner Bildhauer der Zeit zu finden. Die Standbilder der wichtigsten mittelalterlichen Fürsten sind am Turmgeschoss über dem Glockenspiel vereint, vom an zentraler Stelle Heinrich der Löwe als Stadtgründer, ferner u. a. Otto I. von Wittelsbach, Kaiser Ludwig der Bayer und dessen Bruder Rudolf. Die Kurfürsten des 17. und 18. Jh. sind in der rechten Fassadenhälfte konzentriert, die Könige des 19. Jh. im dritten Geschoss des Turmunterbaus. Dem zur Bauzeit lebenden Prinzregenten Luitpold ist ein Bronzestandbild unter einem Baldachin an der Nahtstelle von Alt- und Neubau gewidmet (1905 von Ferdinand von Miller, nach Kriegsschaden 1977 von Claus Nageier ergänzt). - Das Figurenprogramm an der Westseite zur Weinstraße umfasst außer dem Stadtpatron St. Benno (am Südende) im Wesentlichen Allegorien der Geschäftsbereiche des Magistrats (nordwestlicher Erkerturm, 2. Stock: Schule, Hygiene, Baukunst, Armenpflege), der bürgerlichen Tätigkeiten (Mittelteil, 2. Stock: Kunst, Wissenschaft, Nährstand, Kunstgewerbe, Handel) sowie der acht Regierungsbezirke Bayerns (Seitenteile, 1. Stock); an der Südostecke wird der historische Name „Lindwurmeck“ durch eine Reliefgruppe gegen einen Bronzedrachen kämpfender Bürger veranschaulicht, am „Kloibereck“ im Nordwesten ein „Mann der Holz kliebt“ (spaltet) in einem den Namen (nach Stahleder 1992 unzutreffend) erklärenden Relief dargestellt. - Der große Wendeltreppenturm im Prunkhof ist als „Treppe der Menschenalter“ mit die Lebensphasen verkörpernden Steinfiguren samt zugeordneten Tieren und Sprüchen (mit humorvollem Einschlag) reich ausgestattet; am nördlichen Hofrisalit fünf kupfergetriebene Monumentalfiguren (Monachia zwischen Religion und Gesetz, Geschichte und Parlament). Dazu kommt vor allem am Neubauteil eine Fülle von Wasserspeiern, Konsolfiguren, Groteskdarstellungen, Wappenschilden u. dgl. - An der Nordwand im südöstlichen Altbauhof ist eine Gedenktafel von 1881 an den Rathaus-Architekten Georg Hauberrisser eingelassen.
Die Innenräume des weitläufigen Komplexes haben vor allem in den allgemein zugänglichen Bereichen des Verkehrs (Durchfahrten, Treppen, Gänge), der Sitzungssäle, der Sondernutzungen (ehern. Kassenhalle, Bibliothek) und der Gastronomie weitgehend ihren opulent inszenierten späthistoristischen Charakter behalten, während die Amtsräume meist erneuert wurden.
Der Ratskeller nimmt das gesamte Tiefgeschoss unter dem Südflügel ein; Hauptbestandteil ist eine lang gestreckte, in der älteren Osthälfte zwei-, im Westteil dreischiffige Halle mit Achteckpfeilern, Segmentbogengurten und flachen Kreuzgratgewölben. Im (ursprünglich 1874 von Ferdinand Wagner mit „humoristischen“ Szenen in der Art der Schwind-Nachfolge ausgemalten) Westteil ist (an der Südwand) ein prächtiger grüner Kachelofen erhalten. Im äußersten Westen schließt sich, auf etwas tieferem Niveau, die dreischiffige Halle der „Arche“ mit Rundpfeilern, reichen Netz- und Sterngewölben, figürlichen Konsolen, Schlusssteinen und gotisierender Vertäfelung an; an den Wänden und nachtblauen Gewölbefeldern gemalte humoristische Szenen mit Spruchbändern, das Wandbild an der Westseite (wie andere auch) bez. Heinrich Schlitt 1905. Nördlich malerischer Treppenaufgang (mit Wandgemälde) zum Prunkhof. Dem Ratskeller sind weitere Nebenräume verschiedener Größe angeschlossen, u. a. (im Neubau gegen Norden) der „Sumpf1 mit drei Rundstützen, bemerkenswerten figürlichen Gewölbekonsolen und neuer Deckenmalerei („gemalt 1950 Max Lacher, wiederhergestellt 1975“); daneben Stube „Alt-München“. Gestaltung und Einrichtung des Ratskellers wurden um 1950, 1975 und zuletzt (wieder stärker historisierend) 1997 verändert. - Im Erdgeschoss südöstlich ist die Ratstrinkstube situiert.
Den Altbau durchquert von Nord nach Süd mittig ein gewölbtes Durchfahrtssystem, im Südtrakt als Haupteingangsbereich zur dreischiffigen Halle zwischen den doppelläufigen Treppenhäusern erweitert (Wandbilder der Repräsentanten von acht Ständen von Rudolf Seitz, 1868); in den beiden Geschossen darüber liegen entsprechende Vestibüle von 3 zu 3 Jochen, im 3. Stock eine weite, besonders repräsentative Halle. Die prächtigen Natursteindetails des Treppen- und Hallensystems im Altbau orientieren sich stilistisch an Früh- und Hochgotik (Rundpfeiler aus Halleiner Rotmarmor, Laubkapitelle, Kreuzrippengewölbe). Zwischen diesem südlichen Hallenbereich und dem Quertrakt mit den Sitzungssälen zwischen dem kleinen und großen Osthof durchquert den ersteren ein sechseckiger, verbindender Gelenkbau, im Erdgeschoss - als Teil der Durchfahrt - mit prächtigem Stemgewölbe, im 1. Stock mit neuem Denkmal für die Opfer von Krieg und Verfolgung, im 2. Stock (vor den Sälen) mit Sterngewölbe und moderner Farbverglasung von Franz X. Zettler, im 3. Stock mit geschnitzter Decke und auf die Geschichte der USA bezüglichen Glasgemälden (gestiftet 1912, wiederhergestellt 1997). Die Gruppe der Sitzungssäle (vollendet 1880) im 2. Stock beginnt mit einem vertäfelten Eingangsraum (ehern. Botenzimmer) mit Schnitzdecke und (nordseitig) großem geschnitztem Garderobenschrank mit Uhr. Östlich davon Empfangszimmer (ehern. Vorzimmer des Magistrats) mit reicher Schnitzdecke. Am besten erhalten - eine der Hauptleistungen späthistoristischer Raumkunst -ist der nördlich davon gelegene Kleine Sitzungssaal (ehern, des Magistrats) mit Fenstern im Norden und umlaufender Vertäfelung; westlich Galerie mit Gitterbrüstung von Kunstschlosser Anton Deschl, darunter Standuhr; an der Ostwand großes historisch-allegorisches Fresko „Münchens Aufblüh'n unter Ludwig dem Ersten in Kunst und Wissenschaft“ von Wilhelm Lin-denschmitt d. J. 1888 (bez.). Südlich Prunkkamin aus Kalkstein von Bildhauer Joseph von Kramer (Kaminbock von A. Deschl). Die überaus prächtige Spiegeldecke mit hängenden Schlusssteinen ist in Eichenholz geschnitzt. Bemerkenswert ist die originale Möblierung, gleich Decke und Vertäfelung eine Arbeit von Kunsttischler Johann Krauß und Bildhauer Wilhelm Kielhom; chorstuhlartige Ledersitze mit allegorischer Kerbschnitzerei an der Rückwand nach Entwurf von August Spieß; großer Bronzelüster (24-armig mit 114 Flammen) von der Augsburger Fa. L. A. Riedinger nach Modell von Adolf Halbreiter. - Westlich daneben das Ausschusszimmer (ehern. Vorzimmer der Gemeindebevollmächtigten) mit dreilappiger Holztonne und Geweihlüster. - Der Große Sitzungssaal (ehern, der Gemeindebevollmächtigten) im Westen, mit je drei Maßwerkfenstern an den Schmalseiten im Norden und Süden sowie östlich (rückseitig) einer Empore - mit Gitter von Anton Deschl - hinter einer Spitzbogenarkatur, wurde 1952 gestalterisch stark vereinfacht (Kassettendecke statt prächtiger Schnitzdecke mit hängenden Schlusssteinen); an der westlichen Stirnseite hing bis zur Bergung im Oktober 1943 das kolossale, 15 m breite Ölgemälde von Karl von Piloty (1879), eine figurenreiche Darstellung der „Geschichte Münchens bis zum 19. Jh. in den hervorragenden Personen desselben“, das - nach Probeaufhängung 1952 - abermals entfernt und durch eizeichnen sich durch besonderen Aufwand an Steinmetzarbeiten die weiträumige netzgewölbte Durchfahrt und südlich von ihr die große, turmartig in den Prunkhof (s. oben) vortretende Wendeltreppe aus, vor der sich die - hier mittig gelegenen - Längs-gänge jeweils zu einer netzgewölbten Halle erweitern.
An der Nordseite des Prunkhofes liegen im Erdgeschoss die ehem. Kassenhalle (jetzt Ausstellungsraum) und im 3. Stock - an den hohen Fenstern erkennbar - die Bibliothek. Die Kassenhalle ist eine fünfschiffige Anlage - den großen Mittelraum mit verglaster Tonnenwölbung umziehen schmale, gewölbte Säulengänge und breitere, flachgedeckte Außenschiffe; das Ostportal ist skulptiert. - Ihre Ausstattung bewahrt hat die unweit östlich im Erdgeschoss gelegene „Grütznerstube“ mit zwei kreuzgratgewölbten Kompartimenten und reicher (signierter) Vertäfelung der Schreinerwerkstatt Friedrich Neumann, München; das Rotmarmor-Lavabo ist bez. 1908. - Die Bibliothek (Ratsbibliothek, jetzt Lesesaal der Juristischen Bibliothek der Stadtbibliothek) ist das bemerkenswerte Spätbeispiel eines repräsentativ ausgestatteten Bücher-Schauraumes, mit vier hohen Südfenstem zum Prunkhof; die drei anderen Wände sind völlig mit z. T. vergoldeten Eichenholz-Schränken (im Erdgeschoss, verglast) und -Regalen verkleidet; die beiden vorkragenden Galerien haben prächtige Schmiedeeisengeländer, gleich den eisernen Wendeltreppen in den beiden inneren Ecken von der Hofkunstschlosserei Bussmann; an den Fensterpfeilem dekorative eiserne Beleuchtungskörper mit Blattranken (Hofkunstschlosserei Kirsch, 1985 rekonstruiert). Das Deckenbild von Waldemar Kolmsperger und die Glasgemälde von F. X. Zettler wurden im Krieg zerstört. - Typologisches Vorbild war die kurfürstl. Bibliothek im Mannheimer Schloss, die ebenso zwei Galerien mit Eisengeländem aufwies wie die (erhaltene) neubarocke Stiftsbibliothek in Tepl von ca. 1905.
Obwohl zahlreiche weitere Innenraumgestaltungen nicht mehr erhalten sind, stellt das späthistoristische „Gesamtkunstwerk“ des Neuen Rathauses als angemessene Selbstdarstellung der Bürgerschaft an zentraler Stelle den gewichtigsten Gebäude- Großkomplex in der Altstadt nächst der Residenz dar und ist längst zu einem - zudem höchst volkstümlichen - Wahrzeichen Münchens geworden.
Archäologische Befunde: Untertägige Spuren mittelalterlicher Besiedlung unter dem Neuen Rathaus (Fundst.-Nr.: 7835/ 0252, 7835/0359, 7835/0358,7835/0360, 7835/0361). Bei Reparaturarbeiten am Fundament im Juli 1974 konnte hochmittelalterliche Keramik geborgen werden. Die Fundstelle liegt im Keller unter der westlichen Toreinfahrt des Rathaus-Haupteinganges unmittelbar an der Hofseite an der westlichen Torwange. Bei Umbauarbeiten im November 1974 im Ratskeller stießen Bauarbeiter auf Verfärbungen und Keramikreste. Im Profil der Baugrube zeichnete sich ein senkrechter, durch einen mittigen Pfosten gestützter Schacht ab, aus dem zahlreiche Scherben, Glasstücke, Knochen und Holzreste geborgen werden konnten. In diesen Schacht mündete ein abschüssig verlaufendes Gräbchen. Schacht und Gräbchen waren in den anstehenden festen, graugelben Flinz eingetieft. Die Sohle des Schachtes wurde 0,35 m unter dem Planum erreicht. Die Einfüllung bestand aus fundreichem, humos-schmierigem Material, durch dessen feuchte Beschaffenheit sich auch organische Stoffe gut erhalten haben. Die Anlage ist vermutlich als Abfalldeponie und Kloake zu interpretieren. 1975 erfolgte die Notbergung einer Grube unter dem nordöstlichen Teil des neugotischen Rathauses, unmittelbar südlich der Landschaftsstraße. Aus dem oberen Teil der Grubenverfüllung stammt Keramik des 12./13. Jh. Im Zuge des Baus eines Stuhllagers für den Ratskeller entdeckten 1991 Bauarbeiter einen Schacht, der im oberen Teil mit Bauschutt, weiter unten stellenweise mit großen Mengen an Keramik- und Glasresten sowie organischem Material verfällt war. Die aufgedeckte Grube wies die Maße 2,3 x 2,5 m auf. Vermutlich handelt es sich um einen aufgelassenen Brunnen. Zu den Funden zählen überwiegend einheimische Keramik der näheren Umgebung, zusätzlich zwei Importexemplare mit Trichterhals aus Siegburger Steinzeug, weiterhin Münzen, darunter ein Pfennig aus der Zeit Herzog Wilhelms V und ein Halbbatzen aus der 2. Hälfte des 16. Jahrhunderts. Die Qualität der einzelnen Stücke und die Zusammensetzung des Fundgutes deuten nicht auf einen gewöhnlichen Haushalt hin, sondern lassen eher an eine Gastwirtschaft denken. Die Fundstelle lag in einem Bereich, in dem im 16. Jh. das Landschaftshaus stand.
Denkmalamt