Alte Quellen

Rathaus, Neues am Marienplatz


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Quelle Zauner - München in Kunst und Geschichte (266)
Jahr 1914
Straße Marienplatz

Rathaus, Neues am Marienplatz. Es umfaßt das fast quadratische Flächentrapez Marienplatz, Weinstraße, Landschafts- und Dienersraße mit 9159 qm (wovon 7115 qm überbaut sind, der Rest sich auf 6 Höfe — deren größter 885 qm besitzt — verteilt) und wurde errichtet in 3 Bauperioden: 1. Teil Ecke Marienplatz Dienerstraße — ursprünglich als Ganzes gedacht 1867/74, 2. Teil Ecke Dienerstraße Landschaftsstraße 1888/89, 3. Teil mit den Ergänzungsfronten am Marienplatzes, an der Landschaftsstraße und mit der Front gegen die Weinstraße 1899/1908.

Die Pläne für den 1. Teilbau waren das Ergebnis eines Wettbewerbes, und wie dieser Teil, so wurden auch alle Erweiterungen und deren Einrichtungen nach Entwürfen Prof. Gg. Hauberissers im gotischen Stil ausgeführt. Das Erdgeschoß ist an den Straßenfronten fast durchwegs für Verkaufsläden verwendet. Als Hauptgeschoß figuriert das 2. Obergeschoß mit den Sitzungssälen, den Repräsentationsräumen und den Geschäftszimmern der Bürgermeister. Zu diesen mit reicher Ausstattung versehenen Räumen führen monumentale Treppenaufgänge und Treppenhallen. Die 3 Obergeschosse und das vollständig ausgebaute Dachgeschoß enthalten zahlreiche Geschäftsräume der Gemeindeverwaltung. Im Untergeschoß liegt der Ratskeller (895 qm) mit humoristischen gutkomponierten Fresken im altdeutschen Stil von Ferd. Wagner und entsprechenden Versen von Theodor Horrmann, sowie der städtische Regieweinkellerbetrieb (880 qm), eine elektrische Unterstation und die Heizungs- und Lüftungsanlage. Die Ausführung der beiden altern Bauteile (Ostflügel Marienplatz- Dienerstraße) erfolgte in Halbfeinziegelmauerwerk unter Verwendung von Neckartenslinger Sandstein für die Architekturgliederung; die Straßenfronten des neuesten Bauteiles sowie des Turmes sind in Haustein unter Verwendung von Kelheimer Kalkstein für die Architekturgliederung und von oberbayerischem Tuff für die Verkleidung der Wandflächen ausgeführt — weswegen sich der ältere Teil der Marienplatzfront durch die rote Farbe der Ziegel Verkleidung schon auf den ersten Augenblick deutlich abhebt von der hellen Tuffverkleidung der neuen Front, abgesehen davon, daß die vergoldete Reiterstatue des Prinzregenten (von Ferd. Miller) im mächtigen Baldachinvorsprung den Abschnitt auch plastisch markiert.

Die Umfassungen des Haupthofes sind in Muschelkalk und Tuff hergestellt. Für die Treppenhäuser und Wandelhallen des neuesten Bauteiles wurde Sandstein aus Heigenbrücken und Lichtenstein verwendet. Die Kosten für den Grunderwerb betrugen 8 218 660 Mk., die gesamten Baukosten allein mit Einrichtung 9504497 Mk. Die reichste der 4 Fassaden ist die Hauptfassade am Marienplatz mit ihren Galerien, Erkern, Türmchen, Schwibbögen, Säulen und Säulenbündeln, Fialen, Wasserspeiern, Standbildern und Reliefs; sie ist entsprechend ihren Bauzeiten in symmetrische Hälften geteilt, deren ältere zwischen je 3 Fensterpaaren als Mittelrisalit einen von Türmchen flankierten Giebelbau zeigt, der in seinem Balkon mit den Statuen des A. Heß den großen Rathaussaal ausspricht, deren jüngere — gleichfalls zwischen je 3 Fensterpaaren — durch den imposanten Rathausturm markiert wird. Der ganzen Länge nach sind, als wirkungsvolles Motiv nach den Vorbildern in Rothenburg o. d. 2'., Bremen und Brüssel, Arkaden vorgelegt und im ganzen 1. und 2. Obergeschoß sind die Zwischenräume zwischen je einem Fensterpaar durch die überlebensgroßen Steinfiguren bayerischer Herrscher geschmückt. Die 4 Balkonfiguren von A. Heß (1869) stellen die 4 Bürgertugenden vor: Gewerbefleiß (Jüngling mit Hammer), Häuslichkeit (Hausfrau mit dem Kind auf dem Arm und den Spinnrocken in der Hand), Bürgermut (Bürger in Waffenrüstung), Religion und Mildtätigkeit (Jungfrau, ein armes Kind speisend). Darunter in der Erdgeschoßhalle Temperagemälde von Rudolf Seitz (1868) und Gedenktafeln mit Trophäen und Kränzen nach Entwürfen von Lorenz Geion. Der Rathaisturm mit seiner kunstreichen Uhr, dem Glockenspiel, dem Ritterturnier und dem volkstümlichen Schäfflertanz 1) gehört zu den volkstümlichsten Wahrzeichen Münchens; er trägt hoch oben 4 Erkertürmchen gleich seinen- mittelalterlichen Vorbildern, die die eigene Gerichtsbarkeit einer Stadt künden. Bei 80 m hoch, entwickelt er sich massiv von unten mit je einer Erkerlaube im 2. und 3. Obergeschoß; darüber ist der zweigeschossige Ausbau für die Kunstuhr. Darauf folgt die 1. Galerie mit seiner Zinnenbekrönung. Von da setzt sich der viereckige Aufbau um ein Stockwerk fort, das abermals mit einer Galerie und 4 Ecktürmchen bekrönt ist; die untere Hälfte unterm Zifferblatt ist besonders ausgezeichnet durch 12 große Steinfiguren mit zierlichen Maßwerkfenstern dazwischen; auch die Galerie mit ihren Ecktürmchen ist reich gegliedert mit Maßwerkfenstern, Wimpergen und krabbenbesetzten Riesen. Hier setzt der Bau in Achteckform ein mit einem zweigeschossigen Aufbau, dessen oberster im Verhältnis zum unteren sich wie 2:1 verjüngt. Jeder dieser 2 Aufbauten, von denen der oberste sichtbar die Glocken des Glockenspiels trägt, wird mit einer entsprechend großen Galerie mit zierlicher Brüstung, Eckfialen und Strebebögen abgeschlossen. Jetzt erst setzt der steinerne, spitze Turmhelm an. Der durch das Erdgeschoß des Turmes gebrochene Haupteingang führt zunächst in den „Großen Hof“, worin im Sommer mittags Militärmusik stattfindet und der besonders reich und malerisch ausgebildet ist: links führt eine reich gegliederte, mit Baldachinfiguren gezierte W endeltreppe mit vorgelegten Rampen bis ins 3. Stockwerk; hinter den wimpergbekrönten Arkaden des obersten Ganges schließt mit schmucken Maßwerkfenstern und einem einfachen, hohen Spitzdach der Treppenturm ab. Gegenüber dem Haupteingang präsentiert sich der Giebelbau des zweigeschossigen Bibliotheksaales mit seinen 4 mächtigen Fenstern, Statuen, reichen architektonischen Gliederungen und den beiden zierlichen Giebeln. Rechts ist die kleine Eingangslaube zur Volkshalle und daneben jene zum Ratskeller. Die Fassade an der Weinstraße ist durch ein reiches Ecktürmchen mit 3 Baikonen flankiert, woran sich ein Giebel schließt; an seinem Türmchen ist unten in reichem Relief die Lindwurm sage dargestellt zur Erinnerung ans alte „Lindwurmeck“.

Zur Belebung dient weiterhin eine Anzahl von Baldachinfiguren, Erkern und Baikonen. Die Fassade an der Landschaftsstraße beginnt mit einem reichen Giebelbau, an den sich die einfachere Fassade mit Erker schließt. Die Fassade an der Dienerstraße wird durch den überm Eingang zum Lichthof vorspringenden Erker in 2 Hälften abgeteilt, die zu Seiten durch leicht vorspringende Giebelbauten flankiert werden, und besitzt im Erdgeschoß spitzbogig gewölbte Fenstertüren. Von der künstlerischen Innenausstattung beanspruchen besonderes Interesse die von Rudolf Seitz entworfenen Glasgemälde (im Sitzungssaal), darstellend die städtische Wasserversorgung, Straßenbeleuchtung, Gartenkultur, Armenpflege, Feuerwehr, Pflege der Schule, Wissenschaft und Kunst sowie das Standesamt, des fernem (im Saal der Gemeindebevollmächtigen) Pilotys Kolossalgemälde „Munichia“, das die berühmten Münchner porträtgetreu schildert, sodann (im Magistratssaal) Lindenschmitts „Bekrönung Munichias durch Ludwig I.“, nicht zuletzt die trefflichen Monarchenporträts von Lenbach und die Sittenbilder aus Altmünchen von Löfftz, Spieß und von Hagen [SB 03/14; Artikel über Hauberisser n CK 11/8],

 

1) Der Schäfflertanz ist wie der „Metzgersprung“ (s unter Fischbrunnen) ein uralter Brauch und wird alle 7 Jahre, jedesmal vom 1. Januar bis Fastnacht, von etwa 20 Schäfflergesellen aufgeführt. Sie gliedern sich aus einem Ansager, Vor- und Nachtänzer und aus Reifen Schwingern. Gekleidet in die zunftmäßige rote, goldgezierte Jacke mit Schurzfell, kurze schwarze Hose, weiße Strümpfe und mit grünem Barett mit blauweißen Federn, produzieren sie sich zunächst vor der Residenz, dann vor den Palais der Adeligen und den Häusern der Bürger. Der Tanz besteht aus 3 Teilen: zuerst kommt der Reifentanz (Achter), dann ein Rundtanz nach dem Takt zweier ein Faß beschlagender Gesellen; sodann besteigt der Reifenschwinger das Faß und zeigt seine Geschicklichkeit, in dem er ein Glas Wein in den Reifen stellt und diesen über den Kopf und Körper schwingt, ohne zu verschütten; nach dem nun folgenden Hoch auf den freigebigen Spender wirft er das Glas rückwärts über den Kopf; zum Schluß wird noch eine Tanzfigur gebildet, die zuletzt eine Krone darstellt.


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