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Änderung von Straßennamen militärhistorischen Ursprungs

Beschluß des Bau- und Vergabeausschusses vom 8.7.1971 - SB - (öffentlich)

Datum08.07.1971SignaturDE-1992-STRA-40-71 
AbsenderBaureferatEmpfänger
ArtBriefStatusBeschluß
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I. Vortrag des Referenten:

In der Sitzung des Bezirkausschusses des 21. Stadtbezirkes am 1.12.1970 wurde folgender Antrag mit Mehrheit beschlossen:

"Die Infantriestraße" soll umbenannt werden in "Martin-Luther-King-Straße"

Begründung:
Die Infantriestraße ist einer der Hauptzüge zum Olympiagelände. Der Name "Infanrtiestraße" war in früherer Zeit auf das Exerziergelände auf dem Oberwiesenfeld und auf das dortige Kasernenviertel angestimmt. Durch die Aufwertung des Geländes zur Olympiastätte sowie durch den Abbruch bzw. Zweckentfremdung verschiedener Kasernenbauten sollte auch der Straßenname den geänderten Verhältnissen angepaßt werden. Im Zeichen der völkerverbindenden Olympischen Spielen bietet sich eine Umbenennung der "Infantriestraße" in "Martin-Luther-King-Straße" geradezu an.

Martin Luther King, 1929 geboren, war Führer und Begründer der parteilosen amerkianischen Bürgerrechtsbewegung. Sein Bestreben war, den farbigen Bevölkerungsanteil der USA auf friedlichen Wege gleichberechtigt in die Gesellschaft zu integrieren. Er wurde dadurch zum Vorkämpfer des Friedens in der Welt. In Anerkennung seines unermüdlichen Einsatzes erhielt er 1964 den Friedensnobelpreis.

Die Benennung einer Straße nach Martin Luther King im Bereich des Oberwiesenfeldes vor den Olympischen Spielen wäre mehr als nur eine versöhnliche Gete gegenüber den farbigen Völkern. Sie würde die Aufgeschlossenheit, die Toleranz und den Friedenswillen der Bürger unserer Stadt unterstreichen.

Das Direktorium-Verwaltungsamt hat am 8.2.1971 einen Abdruck dieses Antrages dem Baureferat mit dem Bemerken übermittelt, der Bezirksausschuß 21 sei damit einverstanden, daß der Antrag im Zuge der Behandlung der Frage einer allgemeinen Überprüfung der Straßennamen mit militärhistorischen Ursprung miterledigt werde. Dazu liegen Stellungsnahmen der Bezirkssuaschüsse 25 und 32 vor, auf die im Rahmen dieses Vortrages noch näher eingegangen wird.

Die Prüfung der Angelegenheit führte zu folgenden Ergebnis:

1. Grundlage für die Umbenennung einer Straße ist Art. 52 BayStrWG in Verbindung mit der Satzung über die Benennung der öffentlichen Verkehrsflächen und die Umnummerierung der Gebäude und Grundstücke in der Landeshauptstadt München (Straßennamen- und Hausnummersatzung) vom 19.12.1968. Nach einem Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes vom 28.6.1965 stellt jede Straßenumbenennung für die Anlieger einen Verwaltungsakt dar, der gerichtlich angefochten werden kann. Soll eine Entscheidung über die Umbenennung einer Straße einer verwaltungsgerichtlichen nachprüfung standhalten, so muß sie den sachlichen Gesichtspunkten entsprechen, die sich aus dem Sinn und Zweck des Gestzes ergeben. Art. 52 BayStrWG und die Straßennamen- und Hausnummernsatzung sind Vorschriften, die in die Bereiche der öffentlichen Sicherheit und Ordung sowie des Komunalrechts einzuordnen sind. Sicherheitsrechtliche Erwägungen gebieten keine Umbennung der Infantriestraße, weil die Merkmale zur Rechtfertigung einer Umbenewnnung (erleichterte Auffindbarkeit für jedermann, Beseitigung von Verwechsungsgefahren oder Doppelbenennungen etc.) nicht vorliegen. Es muß damit gerechnet werden, daß eine Anzahl der Betroffenen von der Möglichkeit Gebrauch machen wird. Dies ist insbesondere wegen der nicht unerheblichen Kosten bei einer Umbenennung zu erwarten. Ob solche Prozesse für die Stadt positiv ausgehen würden, erscheint aus den obengenannten Gründen äußerst zweifelhaft.

2. Nach Auffassung des Baureferates kann eine Umbenennung der Infantriestraße auch nicht darauf gestützt werden, daß dieser Name diskriminierend wirke. Die dem Stadtbezirk 32 vorhandenen Straßennamen Infantriestraße, Schwere-Reiter-Straße, Lazarettstraße und Funkerstraße sind ein stadthistorischer Hinweis dafür, daß hier einmal das Kasernenviertel war.

3. Unabhängid davon ist eine Umbenennung der Infantriestraße in Martin-Luther-King-Straße wegen der Verwechslungsgefahr mit der bestehenden Martin-Luther-Straße und der bestehenden Kinkstraße nicht möglich. Nach den Grundsätzen für dier Straßenbenennung in München dürfen die Straßennamen zu keinen Verwechslungen mit bestehenden ähnlich lautenden Bezeichnungen Anlaß geben. Öffentliche Einrichtungen wie Rettungsdienst, Feuerwehr, Polizei usw. können im Notfall nur dann rasch zur Stelle sein, wenn der angegebene Straßenname zu keinerlei Verwechslungen führen kann.

Die Oberpostdirektion hat in einem grundsätzlichen Schreiben vom 17.2.1962 ebenfalls auf die Unannehmlichkeiten und Schwierigkeiten, die sich durch Verwechslungsmöglichkeiten ergeben, hingewiesen und gebeten, Straßennamen, die zu Verwechslungen führen können, zu vermeiden.

Im übrigen hat die Umfrage einer Münchner Tageszeitung erbeben, daß eine Mehrheit derjenigen Bürger, die sich an diese Zeitung gewandt haben, gegen eine Umbenennung der Infantriestraße ist.

Außerdem muß noch erwähnt werden, daß alte Straßenbezeichnungen erfahrungsgemäß so stark im Bewußsein der Bürger haften, daß eine Umbenennung kaum angenommen wird (Bsp. Münchner Freiheit/Feilitzschplatz). Auch aus diesem Grunde sollten Umbenennungen nur dann durchgeführt werden, wenn sie aus öffentlichen Gründen dringend erforderlich sind.

4. Die Anregeungen, die Infantriestraße und weitere Straßen im 25. und 32. Stadtbezirk (Paul-Lagarde-Straße. Von-Trotha-Straße) umzubenennen sind im Herbst vergangenen Jahres von der deutschen Friedensgesellschaft - Internationale der Kriegsgegner e.V. und vom Deutschen Gewerkschaftsbund Kreis München-Jugend an die Stadt München herangetragen worden.

Diese Anregungen hat das Direktorium-Verwaltungsamt am 4.12.1970 den zuständigen Bezirksausschüssen zur Stellungsnahme zugeleitet. Der Bezirksasschuß 21 hat in Ergänzung zu seinem unabhängig davon bereits am 2.12.1970 gestellten Antrag auf Umbenennung der Infantriestraße derm Direktoriums-Verwaltungsamt mit Schreiben vom 7.1.1971 mitgeteilt, es erscheine ihm die Berufung einer Kommision des Stadtrates zur Überprüfung der Straßennamen der Landeshauptstadt München denkbar.

Der Bezirksausschuß 25 spricht sich in einem Schreiben vom 25.1.1971 ebenfalls für die Einsetzung einer von der deutschen Friedensgesellschaft vorgeschlagenen Kommission aus. Er beabsichtigt aber auch, die Straßennamen innerhalb seines Stadtbezirkes einer eigenen Überprüfung zu unterzeihen. Er bittet jedoch, das Stadtarchiv mit einer eingehenden Quellenforschung zu beauftragen.

Der Bezirksausschuß 32 teilte mit Schreiben vom 18.1.1971 mit, daß die Anlieger der Von-Trotha-Straße an einer Umbenennung nicht interessiert seien, weil ihnen durch die Änderung Unkosten entstehen. Er stimmt jedoch grundsätzlich dem Vorschlag der deutschen Friedensgesellschaft zu, sofern "genauere Unterlagen vorgelegt werden". Nach seiner Ansicht gebe es im 32. Stadtbezirk noch weitere Straßen, die umbenannt werden müßten (z.B. Von-Gravenreuth-Straße und Von-Erckert-Straße).

Das Baureferat stellt zur Frage der Einrichtung einer Kommision fest, daß die Münchner Straßennamen bereits im Jahre 1845 und 1946 von einer Kommision sorgfältig überprüfte worden sind. Unter Anlegung der damaligen sehr strengen Maßstäbe wurden nahezu 100 Straßennamen mit Stadtratsbeschluß vom 5.11.1946, 3.12.1946 und 14.1.1947 geändert. Die von den Bezirksausschüssen 25 und 32 neben der Infantriestraße noch angesprochenen Straßen werden jedoch vom Baureferat von sich aus noch einmal überprüft. Im Benehmen mit der Direktion der Städtischen Bibliotheken und dem Stadtarchiv wird das Baureferat die hierzu notwendigen Nachforschungen anstellen und dann eine Entscheidung darüber herbeiführen, ob die Tatbestände für eine Umbenennung im öffentlichen Interesse ausreichen. An diesem Prüfungsverfahren sollen die bei Straßenbenennungsverfahren eingeschaltenen Gutachter ebenfalls beteiligt werden.

Das Baureferat ist daher aus den obengenannten Gründen der Auffassung, daß  für die Behandlung vom Umbenennungsfragen kein eigenes Gremium gebildet werden muss.

5, In der Sitzung des Bau- und Vergabeausschusses vom 19.4.1971 wurde eine Beschlußfassung vertragt mit der Begründung, es bestehe ein Widerspruch darin, daß das Baureferat auf der einen Seite den Antrag des Bezirksausschusses ds 21. Stadtbezirkes wegen Verwechselungsgefahr ablehne, auf der anderen Seite jedoch bereit sei, die Anliegen der Bezirksausschüsse des 25. und 32. Stadtbezirkes noch einaml zu überprüfen.

Hierzu ist folgendes festzustellen:

Nach den Grundsätzen für die Straßenbenennung in München ist eine Umbenennung der Infantriestraße in Martin-Luther-King-Straße wegen der Verwechselungsmöglichkeit und der damit für die Anwohner bestehenden Gefahren im Notfalle nicht möglich. Aus diesem Grunde muß das Baureferat beantragen, den Antrag des Bezirksausschusses des 21. Stadtbezirkes, die Infantriestraße in Martin-Luther-King-Straße  umzunbenennen, ablehnen.

Die große Verwechslungsgefahr einer nach Martin Luther King benannten Verkehrsfläche könnte nach Ansicht des Baureferates nur dann entscheidend verringert werden, wenn ein anderes Grundwort als "Straße" verwendet und eine anbaufreie Verkehrsfläche ausgewählt würde. In diesem Fall wären die Auswirkungen einer Verwechslung wesentlich geringer, da Anwohner, für die in erster Linie Gefahrer aus einer Verwechslung sich ergeben können, nicht vorhanden sind. Das Baureferat schlägt daher vor, den ca. 900 m langen und ca. 3 m breiten anbaufreien und jetzt schon viel begangenen Spazierweg von der Winzeerstraße auf dem Olympisberg als "Martin-Luther-King-Weg" zu benennen. Die Benennung gerade dieser Wegfläche nach dem Friedensnobelpreisträger King steht zudem in enger Beziehung zu der Entstehung des Bombenschuttberges und zu dem dort geplanten Friedensdenkmal.

Der Antrag, die Infantriestraße nicht umzubenennen, steht nicht im Widerspruch zu Zusage, die Anliegen der Bezirksausschüsse des 25. und 32. Stadtbezirkes zu übeprüfen. Die im 25. und 32. Stadtbezirk befindlichen Straßennamen bestehen bereits seit längerer Zeit (Paul-Lagade-Straße seit dem Jahre 1925, Von-Trotha-Straße, Von-Gravenreuth-Straße und Von-Erckert-Straße seit dem Jahre 1933). Eine Umbenennung dieser Straßennamen wäre dann möglich, wenn die angekündigten Nachforschungen ergeben sollten, daß eine Umbenennung im öffentlichen Interesse notwendig ist, d.h. wenn sich herausstellen sollte, daß die Beibehaltung eines Straßennamens anch diesen Personen aufgrung deren Wirken als diskriminiernd für die Anwohner anzusehen ist.

Der zuständige Korreferent und Verwaltungsbeirat haben Abdruck erhalten.

II. Antrag des Referenten
Meinem Vortrag entsprechend beantrage ich folgendes:

1. a) Die Umbenennung der Infantriestraße in in Martin-Luther-King-Straße wird abgelehnt.

b) Der ca. 900 m lange anbaufreie Weg von der Winzererstraße auf dem Olympiaberg wird als "in Martin-Luther-King-Weg" benannt.

c) Der Antrag des Bezirksausschusses des 21. Stadtbezirkes vom 2.12.1970 ist damit erledigt.

2. Das Baurefeat wird beauftragt, die übrigen von den genannten Bezirksausschüssen vorgebrachten Anregungen zu überprüfen und nach Vorliegen des Prüfungsergebnisses erneut zu berichten. Eine eigene Kommission zur Überprüfung der Straßennamen wird nicht gebildet.

III. Beschluß
Nach Antrag

IV. Abdruck von I -III
an das Direktorium-Verwaltungsamt mit der Bitte um Kenntnisnahme

V. WV. beim Baureferat/SG 4 zur weiteren Veranlassung

Stadtrat der Landeshauptstadt München

Der Vorsitzende:
Ober-Bürgermeister

Der Referent:
Zech
Stadbaurat

 

Straßenverzeichnis

NrNrStraßeSBDatumErklärungVerlaufBemerkung
0Infanteriestraße21
175
0
1899
Erstnennung

0Martin-Luther-King-Weg0
250
0
1971
Erstnennung

Martin Luther King, Jr. (* 15. Januar 1929 in Atlanta, Georgia; † 4. April 1968 in Memphis, Tennessee) war ein US-amerikanischer Baptistenpastor und Bürgerrechtler. Er zählt in der weltweiten Öffentlichkeit zu den bedeutendsten Vertretern des Kampfes gegen soziale Unterdrückung und Rassismus. In den Vereinigten Staaten war er zwischen Mitte der 1950er und Mitte der 1960er Jahren der bekannteste Sprecher der US-amerikanischen Bürgerrechtsbewegung (Civil Rights Movement). In dieser Bewegung propagierte er den Zivilen Ungehorsam als Mittel gegen die politische Praxis der „Racial Segregation“ (Rassentrennung) in den Südstaaten der USA, und nahm selbst an entsprechenden Aktionen teil. Wesentlich durch Kings Einsatz und Wirkkraft war das Civil Rights Movement zu einer Massenbewegung geworden, und erwirkte letztlich die gesetzliche Aufhebung der Rassentrennung und die Durchsetzung des uneingeschränkten Wahlrechts für die schwarze Bevölkerung der US-Südstaaten. Kings Engagement für soziale Gerechtigkeit führte dazu, dass ihm 1964 der Friedensnobelpreis verliehen wurde.